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Ein 100-Punkte Dinner

Worum ging es an jenem denkwürdigen Sonnabend, den 23.11.2019?

Veröffentlicht am 03. Dezember 2019

Sonnabend, der 23.11.2019, war der Tag eines für Weinfreunde einzigartigen Ereignisses, das sich so schnell nicht wiederholen lassen wird – ein 100-Punkte Dinner. Ja, man kann sogar behaupten, dass in den Genuss dieses Ereignisses, über das es gleich zu berichten gilt, sogar weltweit nur wenige Weinfreunde und Genießer kommen können. Worum ging es an jenem denkwürdigen Sonnabend, den 23.11.2019?

Im ehrwürdigen Hotel Louis C. Jacob fand sich anlässlich eines Gala Dinners, komponiert vom mit zwei Michelin-Sternen dekorierten Spitzen-Koch Thomas Martin eine kleine illustre Schar von Weinliebhabern ein, die im Verlauf des Dinners sechs mit 100 Punkten von Parkers »Wine Advocate« versehene Weine verkosten und genießen konnten. Es war eine einzigartige wie einmalige Kollektion.

ARGENTINISCHE 100-PUNKTE-PRÄMIERE

Anlass dieses außergewöhnlichen Abends war eine Premiere – die Präsentation des allerersten Weines aus Südamerika, der von eben jenem »Wine Advocate« vor wenigen Monaten die Höchstnote von 100 Punkten verliehen bekommen hatte. Und das war zu unserer großen Freude ein Wein aus dem Haus unserer guten Freunde der Bodega Catena Zapata in Mendoza. Und dieser Wein, der 2016er Adriana Vineyard River Stone Malbec, ist so einzigartig und außergewöhnlich, so authentisch wie originell – doch dazu später mehr. Das Besondere daran – Adriana Catena war selbst für dieses Event angereist, um Ihren Wein persönlich zu präsentieren.

Dieses 100-Punkte-Dinner wird für alle, die dabei sein konnten oder durften, für lange Zeit unvergesslich bleiben. Es passte einfach alles: tolles Ambiente (sogar die »Aida« ließ es sich nicht nehmen, während des Dinners auf der Elbe am Louis C. Jacob vorbei zu gleiten), ein tolles Dinner, hinreißende Traumweine und der Auftritt der charmanten und eloquenten Adriana Catena – alles in allem ein Abend der Superlative, ein Abend mit eingebautem Wow-Effekt!

Für alle, die nicht dabei sein konnten, hier ein Streifzug durch die Weine des Abends, eine Reise durch 600 Punkte!


600-Punkte Robert Parker

100-PUNKTE WEIN I: 1986 CASTILLO YGAY BLANCO RIOJA GRAN RESERVA ESPECIAL MARQUES DE MURRIETA

Ein Auftakt nach Maß könnte man sagen, doch würde diese Anmerkung dem Wein nicht gerecht. Es ist ein Weißwein der Superlative, und es ist ebenfalls eine Premiere, denn dieser Wein ist der erste Weißwein Spaniens, der überhaupt jemals 100 Punkte bekommen hat.

Die Superlative beginnen schon mit der Geschichte der Erzeugung. 21 Jahre, bis 2007, durfte er in kleinen Eichenfässchen ruhen und reifen. Lediglich einmal, im Jahr 1992, wurden einige wenige Flaschen gefüllt und verkauft, der Rest schlief weiter. 2007 wurde der Wein umgesiedelt in Zementtanks, wo er nochmals für einen Zeitraum von sieben Jahren in einen Tiefschlaf verfiel, aus dem er 2014 erweckt wurde, um in die Flasche gefüllt zu werden.

Dieser Wein ist unglaublich. Erstaunlich jung und frisch in seiner funkelnden, zitronengelben Farbe. Der Duft ist extrem feingliedrig und elegant, und dennoch dicht. Der Reigen der Aromen wird eröffnet mit Noten von Limette, Orangenschale und frischen Pilzen, gefolgt von Gewürzen wie Zitronengras und Zitronenverbene, die Pilze entschwinden, Karamell und Vanille kommt auf. Unglaublich filigran und fein, zugleich aber dicht und konzentriert am Gaumen. Perfekt eingebundene Säure, ein schier unglaubliches Mundgefühl und eine wahnsinnige Länge. Und dann passiert das Wunder. Bekommen viele Weine Luft, gerade die gereiften, werden sie rasch alt oder stumpf. Dieser Ygay entwickelt sich zurück in Richtung Jugend, wird immer frischer, tanzt immer mehr aus dem Glas und auf dem Gaumen. Ein barocker Tanz kommt einem in den Sinn, der das 100-Punkte-Dinner mehr als glorreich einleitet. Großartig.

100-PUNKTE WEIN II: 2013 VERITÉ LA JOIE SONOMA LA VERITÉ

Kaum ein Weingut kann derart viele 100-Punkte-Weine vorweisen wie das in Sonoma gelegene La Verité. Das liegt an dem begnadeten bordelaiser Weinmacher Pierre Seillan, der in Kalifornien eine zweite Heimat gefunden zu haben scheint. Seine Weine sind ein meisterlicher Brückenschlag zwischen alter und neuer Welt. Wie ein großer Regisseur, der etwa eine »La Traviata« inszeniert, sind Pierre Seillans Weine eine Inszenierung großer Bordeaux-Weine aus kalifornischer Sicht.

»La Joie« ist eine Anspielung auf die 1er Crus des Pauillac. Die Cuvée besteht aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Die Trauben stammen aus Mikro-Parzellen auf vulkanischen und schottrig-steinigen Böden und wurden selbstverständlich von Hand geerntet. Nach rund 18 Monaten Reifung konnten dann wenige Flaschen dieses unglaublichen und grandiosen Weines gefüllt werden, die – auch dies einem Pauillac nicht unähnlich – wenigstens für drei Jahrzehnte ein großartiges Genusserlebnis bescheren werden, mehr also, als manch hoch gehandelter Bordeaux. Fachleute betonen immer wieder, dass 2013 das Jahr des Cabernets in Kalifornien war, das beste des gesamten letzten halben Jahrhunderts. Und das spürt man in diesem grandiosen Wein, den R. Parker mit einem ganz großen ersten Gewächs aus Pauillac vergleicht. Mouton-Rothschild oder Latour kommen einem da in den Sinn. Möglicherweise legt er aber zugleich für diese die Messlatte höher und höher. Wunderbare dunkelwürzige und schokoladige Aromen verflechten sich, vermählen sich mit dunklen Früchten wie Johannisbeeren, zugleich mit Noten von edlem Tabak und Eiche, um sofort wieder etwas Süßliches nachzuschieben. Der Vergleich mit den 1er Crus hinkt zu keinem Zeitpunkt, nur dass dieser La Joie eben jenen an Potential sogar überlegen ist. Wer könnte dieser alles überragenden Cabernet-Cuvée das Wasser reichen? Schwierige Antwort!

WEIN III: 2003 CHATEAU LAFITE-ROTHSCHILD 1ER CRU CLASSÉ PAUILLAC

Der große, geniale Klassiker lief auf ein großes Duell zu, von dem viele glaubten, dass er es nur verlieren könnte. Da ein Bestandteil dieses Gangs unter Anderem eine Trüffelsauce war, was nicht Wenige an der Kombination von Trüffel und diesem feinsinnigen, hocheleganten Lafite zweifeln lies. Und der hat sich nicht nur wacker geschlagen, sondern das Duell in eine innige Umarmung mit der Trüffelsauce verwandelt. Eine großartige Kombination, die die Besonderheit des 100-Punkte-Dinners unterstreicht.

Dieser Lafite verkörpert den Lafite-Stil par excellence – leichtfüßig, extrem elegant, sehr filigran und dabei wiederum extrem komplex. Da paart sich eine noch jugendliche Frucht von dunklen Kirschen, Cassis, kandierten Kirschen mit Schokolade, feinen pfeffrigen Noten und getrockneten Gewürzen. Diese zart schwebende Charakteristik am Gaumen ist umwerfend und entwickelt eine unergründliche Tiefe. Wer erinnert sich noch an den warmen und langen Sommer 2003? Man würde ein Schwergewicht erwarten, und hat die faszinierende Leichtigkeit des Seins auf dem Gaumen.

Dieser Lafite ist in seiner Komplexität und Feinheit etwas für die Freunde ganz klassischer Bordeaux, die auch von dessen fulminanter Länge tief beeindruckt sein dürften. Großer Bordeaux – seiner 100 Punkte absolut würdig.

WEIN IV: 2012 HILLSIDE SELECT CABERNET SAUVIGNON STEAGS LEAP DISTRICT SHAFER VINEYARDS

Wenn man so will der große Gegenspieler von Chateau Lafite! Ausladend, opulent, auf seine Art und Weise sehr beeindruckend, aber mehr als passend bei unserem 100-Punkte-Dinner.

Shafer ist eine kalifornische Legende, und diesen Ruf hat sich John Shafer in recht kurzer Zeit erarbeitet. Erst 1972 vertauschter er den bequemen Schreibtisch mit der harten Arbeit in Weinberg und Keller, kaufte sich eine heruntergewirtschaftete Farm an jener Ecke des Napa Valley, die heute Stags Leap District genannt wird. Und ja, auch dafür hat er gesorgt, dass nämlich Steags Leap zu Steags Leap District wurde, zur ersten »American Viticulture Area« . Nach reichlich Investitionen in Weinberge und Keller katapultierten sich seine Weine an die kalifornische Spitze, und der Hillside Select wurde zu einem der ersten Kult-Cabernets des Landes überhaupt und begründeten den großartigen Ruf kalifornischer Rotweine.

2012 war ein klassisches Napa-Jahr mit warmen Tagen und kühlen Nächten, das schlägt sich in der beeindruckenden Balance dieses Cabernets nieder. 32 Monate durfte er zudem in neuen Eichenfässchen reifen. Hier präsentierte er sich mit einem dichten und dunklen, in ein brillantes Rubinrot gekleidetes Farbspiel, in dunklem Kern und jugendlich violetten Randaufhellungen. Der Duft entwickelte rasch ein komplexes Spiel von Brombeeren, gekochten Kirschen, Cassis, und durch diese beerige Frucht bahnen sich immer wieder Noten von Vanille, frisch getaostetem Brot, Karamell und Mokka ihren Weg. Der Geschmack ist enorm auskleidend mit sanften, süßlichen und beinahe schokoladig anmutenden Tanninen, ein Paradebeispiel für einen 100-Punkte-Wein. Auch getrocknete Kräuter und Spuren von Graphit lassen sich ausmachen. Das Finale ist saftig und von enormer Länge. Eigentlich schon ein Klassiker der Moderne.

WEIN V: 2016 ADRIANA VINEYARD RIVER STONE MALBEC MENDOZA BODEGA CATENA ZAPATA

Und dann der Höhepunkt des Abends: Adrianna Catena präsentierte charmant ihren Adriana Vineyard Riverstone Malbec, den ersten vom Wine Advocate mit 100 Punkten geadelten Wein Südamerikas. Was für ein Wein für unser 100-Punkte-Dinner!

Der Adriana Vineyard liegt auf ca. 1.500 Meter über dem Meeresspiegel, da kann einem weniger gut trainierten Menschen schon die Luft ausgehen. Die Familie Zapata gehört zu den ersten Winzern, die die Vorzüge in diesen Höhenlagen der Anden erkannt haben und diese auch zu nutzen verstanden. Das Terroir hier ist steinig und karg. 2016 war ein für Argentinien ein eher ungewöhnlich kühles Jahr, aber vielleicht war es genau das, was diesem ohnehin stets sehr hoch bewerteten, spektakulären Wein das »Tüpfelchen auf dem i« bescherte. Die Sonneneinstrahlung in dieser Hochlage hat für ein kerngesundes und wunderbar ausgereiftes Lesegut gesorgt. Die kühle Witterung allerdings verlängerte die Reife, so dass den Reben Zeit genug verblieb, viele Inhalts- und Aromastoffe aus dem Boden aufzunehmen. Und sie sorgte auch dafür, dass sich in diesem grandiosen Wein die opulente und auskleidende Frucht des Malbec mit einer faszinierenden Frische und Mineralität vermählt, die den Wein in eine schier unglaubliche Eleganz überführt. Der Duft verführt mit wunderschönen Fruchtnoten von dunklen Pflaumen, Weichselkirschen sowie floralen Akzenten von Veilchen und dunklen Rosen, dazwischen immer wieder edles Leder, heller Tabak und orientalische Gewürze – dann kommt die Mineralität in Form von feinem Graphit. Was am Gaumen vorne mit einer feinen und samtigen Extraktsüße beginnt, mündet in eine auskleidende Frucht die sich am Ende in eine feine Mineralität und eine straffe Frische verwandelt, die dem Wein ein komplexes und sehr, sehr langes Finale beschert. Dieser Wein ist so ungemein spannend – wäre es ein Buch, man würde von einem echten »Pageturner« sprechen. Es war an diesem Abend der »Primus inter Pares« , tiefgründig wie ein Lafite, opulent wie ein La Verité oder ein Hillside Select, aber dann versehen mit diesem aufregenden und dramatischen Spiel zwischen Frucht und Mineralität. Der Literaturkritiker Denis Scheck bringt es auf den Punkt, wenn er ein Buch besonders empfehlen möchte. Er sagt dann: »Wenn Sie dieses Jahr nur ein Buch kaufen, kaufen Sie dieses!« . Wir sagen, wenn Sie dieses Jahr nur einen großartigen Wein kaufen möchten, kaufen Sie diesen. Er ist einfach GRANDIOS!  

WEIN VI: 2009 CHATEAU D’YQUEM 1ER GRAND CRU CLASSÉ SAUTERNES

Den »süßen« Abschluss bildete dann der 2009er Chateau d´Yquem. Über das Chateau muss man keine großen Worte mehr verlieren. Es ist eine Legende, es ist Kult, es ist eine absolute Benchmark für edelsüße Weine mit einem schier unfassbaren Potential und einer kaum von anderen zu erreichenden Lebenserwartung. Allein der der Weg von der Rebe zur Flasche ist schon Superlative wert, so gehen die Erntehelfer 10, 12 oder gar 15 mal durch den Weinberg, wählen sorgfältig die Trauben aus oder brechen gar nur einzelne Beeren heraus. Die eingeschrumpften Trauben bringen so wenig Saft, dass am Ende in einem Glas d´Yquem das Ergebnis von ein oder gar zwei Rebstöcken ruht. Und was macht den 6. Wein bei unserem 100-Punkte-Dinner noch aus? Dass im Gegensatz zu anderen gewiss sehr guten edelsüßen Weinen die Süße im d´Yquem so feingliedrig, filigran und tiefgründig daherkommt. Da ist nichts dick, nichts fett, es ist eine Art Inbegriff von Eleganz.

Der 2009er ist noch sehr jung, funkelt aber schon verheißungsvoll in einem einem hellen, brillanten Goldgelb im Glas. Der Duft – verführerisch und betörend. sehr fein verweben sich hier Aromen von getrockneten Aprikosen, frischen Quitten, Akazienblütenhonig, Orangenzeste mit Karamell, Vanille und tropischen Früchten wie Ananas oder Mango. Das fließt ineinander wie die Stimmen eines Streichquartetts von Mozart. Dieser Yquem, wenn er über die Lippen geht, ist ein Kuss auf den Gaumen, so fein und hintergründig entwickeln sich hier Komplexität und Opulenz. Und das Finale ist lang, lang, lang….

Das war unser Streifzug durch 6 X 100 Punkte. Es war ein großartiger Abend, an dem alles stimmte, alles passte, tolle Gäste, tolles Essen, tolle Weine mit einem besonderen Highlight: Adrianna Catena und ihr »Adrianna Vineyard« . Und ihr gilt ein besonderer großer Dank extra für diese Veranstaltung angereist zu sein. Es wird uns lange in Erinnerung verbleiben!