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Der Wein aus »diesem« Jahr - 2008

Wenn die Traube zum Kalender wird und Erinnerungen weckt.

Veröffentlicht am 10. September 2018

Carla Bruni? Barack Obama? Haben Sie sich beim Betrachten einer Weinflasche schon einmal an die Ereignisse des Jahres erinnert, in dem die Trauben geerntet wurden? Sicherlich. Ich kenne viele Weingenießer, die genau deshalb ein paar gut lagerfähige Flaschen im Keller hegen und pflegen. Zur Geburt des ersten Kindes. Nach dem Erwerb des ersten eigenen Hauses. Einen Wein aus dem Jahr, in dem man heiratete oder als der neue, sehr gute Job angeboten wurde. Gründe gibt es unzählig viele, und ab und an ist es schön, sich zu erinnern. Den Wein liebevoll zu entkorken, ihn zu riechen, zu probieren und dann zu wissen: Ja, als dieser Wein in die Flasche gefüllt wurde, da war… Ja, was? In diesem schon eine ganze Dekade zurückliegenden Jahr denken wir wieder einmal an Musik, Gesellschaft und… Liebe. 

Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an das Jahr 2008 denken? Sicherlich nicht an das »Übersehene Knabenkraut«, die Orchidee des Jahres. Wohl auch nicht daran, dass der Januar viel zu warm war. Es passiert so viel, persönliches wie gesellschaftliches, dass wir alle vermutlich unsere eigenen, sehr unterschiedlichen Erinnerungen an Jahre haben. Ich öffne einmal den wundervollen Poggio Valente  aus diesem Jahr und versuche mich zu erinnern. Kirschen und Beeren. Wie das duftet. Nein, ich persönlich weiß nicht mehr, dass Prinz Joachim zu Dänemark 2008 Marie Cavallier geheiratet hat – aber an Nicolas Sarcozy und seine Carla Bruni erinnern wir uns sicher alle, oder? Meine eigene, ganz persönliche Liebesgeschichte sollte 2008 auch einen wundervollen Wendepunkt nehmen, vielleicht bedeutet mir deshalb die tiefrote Farbe dieses Weines zusammen mit dem Jahr, in dem er in die Flasche gekommen ist, auch so viel. 10 Jahre. Herrjeh, wie die Zeit vergeht. Zum Wohl. 

Wenn man sich die Musik eines Jahres auf die Ohren legt, kommen plötzlich viele Bilder. Das ist wie mit Düften, das Gehirn speichert mit diesen Unterstützern die Vergangenheit sehr komplex und lässt sie wie auf Knopfdruck wieder heraus. Sesam öffne dich. Bei One Republics »Apologize« bin ich die Küste Kaliforniens entlanggefahren, bei Rosenstolz‘ »Gib mir Sonne« habe ich immer »Wann kommt die Sahne« verstanden und mich regelmäßig lachend vom Straßenverkehr ablenken lassen. Auch zu Amy Mc Donald’s leicht gehetzt vorgetragenem »This ist the Life« fallen mir ein paar persönliche Details ein. Was haben Sie im Radio gehört? Woran erinnern Sie sich? Haben Sie damals mitbekommen, dass ein paar unentdeckte handschriftliche Noten von Mozart gefunden wurden? Tatsächlich völlig durchgerutscht ist mir in jenem Jahr der Eurovision Song Contest in Belgrad. Auch nachdem ich nachgelesen habe, dass Dima Bilans Beitrag »Believe« gewonnen hat, kann ich damit noch immer nichts verbinden. Nun gut. Vermutlich war ich zu verliebt für sowas.

Und na klar, Fußball. Die Deutsche Nationalmannschaft unterlag Spanien im Endspiel in Wien mit 0:1. Aber zu Fußball passt mehr Bier als Wein, also runden wir den Abend lieber mit anderen Gedanken ab. Barack Obama löste im November Bush als mächtigster Mann der Welt ab. Woher wir das damals erfahren haben? Na klar schon aus dem Internet. Plattformen wie Facebook, Youtube und Google führten auch schon 2008 die Ranglisten der am stärksten wachsenden Internetseiten an, und die Geiz-ist-geil Gesellschaft entdeckte die Preisvergleichs-Seiten für sich. Sie brauchen das heute sicher nicht. Der Poggio Valente ist sein Geld wert. Und wenn er so vielschichtige Erinnerungen an das Jahr hervorruft, in dem er produziert wurde – möchte ich ihn als sprichwörtlich unbezahlbar bezeichnen.