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Ein Spaziergang durch die Weinberge

Auf der Suche nach dem ganz besonderen Riesling

Veröffentlicht am 31. Oktober 2018

HERBST ZWISCHEN DEN REBEN

Wenn der Sommer noch nicht ganz gehen will, wenn die kalten Nächte und der Morgennebel aber schon den nahenden Herbst ankündigen – zieht es mich raus in die Felder und Wälder. Die Farbe des Laubes kippt von grün in Richtung gelb, wird aber noch nicht ganz so dramatisch bunt getupft wie im tiefsten Herbst. Wobei das jetzt ja ganz schnell gehen kann. Heute bin ich einmal fern des Nordens, fern der Kiefernwälder, Birkenalleen und weinbergfreien Zonen. Der Besuch bei einem Freund in Darmstadt hat mir heute am späten Nachmittag noch ein paar freie Stunden übrig gelassen. Diese verbringe ich in der Nähe von Nierstein am Rhein. Der leichte Wind, der über den großen alten Fluss weht und sein Aroma weit in das Land hinein trägt, raschelt in den Pappeln und den Blättern der Weinstöcke, die diese Region dominieren. Felder und Hänge voller Wein. Für einen Norddeutschen ist das ein wundervolles, fast römisch-dekadentes Szenario. Und dazwischen schlängeln sich kleine Wege, die einladend wirken. 

BLÄTTER, TRAUBEN UND SCHIEFER

Hier in diesem Teil von Deutschland kann man Riesling, und das seit Jahrhunderten. Die Straße über diesen kleinen Weinberg ist zwar öffentlich und asphaltiert, aber irgendwie gehört mein Auto hier nicht mitten rein. Und sei es noch so grün. Ich parke am Straßenrand und gehe zu Fuß weiter. Ich atme die würzige Luft des vergangenen Jahrhundertsommers und lausche den Geräuschen der Natur. In diesem Wechsel der Jahreszeiten liegt eine angenehme, leichte Melancholie über dem Land. Der trockene Schieferboden knirscht und staubt unter meinen Füßen. Die Trauben hängen satt und fruchtig zwischen den raschelnden Blättern, auf denen der große Maler gerade den Pinsel in die herbstliche Palette seines irdischen Tuschkastens taucht. Weinberge gehören für mich zu den schönsten und besinnlichsten Orten der Welt. Die lineare Geometrie der Stöcker, die sich trotzdem elegant den Wellen und Hügeln der Region ergibt. Sie beruhigen das Auge und die Seele. Eine kleine hölzerne Bank am Wegesrand lädt ein zum Verweilen und Schauen.

Über 2000 Jahre Tradition

Die Ruhe eines Weinberges geht für mich vor allem von der Jahrtausende alten Tradition des Weinbaus aus. Hier stehen Pflanzen, die in einer ähnlichen Form schon von den Römern angebaut wurden und deren Frucht so wundersam vielseitig schmeckt. Hier auf diesen Hängen wird der St. Antony Pettenthal Riesling  angebaut, Rheinhessens klare und fruchtige Antwort auf Caesars Legionen. In dieser traditionsreichen Ecke des Landes weiß man seit 20 v.Chr. vom Wein.Und altes Handwerk hat eine besonderer Ausstrahlung in dieser unruhigen Zeit, in der gefühlt alles nur noch virtuell ist. Wein ist real. Und wird es immer bleiben. Bevor ich heute Abend in mein kleines Hotelzimmerchen mit Blick auf den Rhein zurückfahre, kehre ich in eines der kleinen Wirtshäuser hier in der Gegend ein und order diesen besonderen Riesling. Schöner kann man einen Tag, der zur einen Hälfte an der Seite eines guten Freundes und zur anderen Hälfte zwischen den Weinstöcken stattfand, nicht ausklingen lassen. Zum Wohl!