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Am Ende einer langen Reise

Wenn der Weg das Ziel und der Abend die Belohnung ist

Veröffentlicht am 18. Dezember 2017

Ich reise viel und gern. Das geschieht beruflich wie privat, und meistens in alten Autos. Mein rastloses Leben zwischen Kiel und Hamburg ist geprägt von familiärem Patchwork und dem Motorjournalismus. Dem alten Blech bin ich verfallen, ich schreibe darüber und ich lebe die bewusste Entschleunigung in den schnellen Jahren von Social Media und Globalisierung. Und ich trinke gern Wein. Autos und Wein – passt das denn zusammen? Aber selbstverständlich, allerdings schön der Reihe nach.

Ich habe mich heute vom hohen Norden aus auf eine Reise an den Rhein begeben. Für uns Norddeutsche beginnt südlich der Elbe eine neue Welt. Mit einem alten Ford Taunus stundenlang inmitten von gehetzten und eiligen Verkehrsteilnehmern, gute Musik im Ohr und das Wissen um einen schönen Platz, an dem ich heute Abend ankommen werde. Setzen Sie sich neben mich?

Mein Ziel ist der Rheingau. Ich habe dort ein paar Lieblingsplätze zwischen Eltville und Rüdesheim, und einer davon liegt wunderschön versteckt direkt am Ufer des großen Flusses, in direkter Nähe vom Weingut Robert Weil. Das Auto kann dort ungestört stehen bleiben, und bevor es zu Fuß in das kleine, gemütliche Hotel geht, lasse ich die Anstrengungen der Autofahrt mit einem guten Glas Riesling von mir abfallen (Riesling kann man hier besonders gut). Während quasi in meinem Rücken die grünen, üppigen Weinberge am Horizont kratzen, ziehe ich den Korken, setze mich neben mein altes Auto direkt ins duftende Gras und lasse den kristallklaren Wein in ein mitgebrachtes Glas laufen.

Lange LKW Kolonnen, Staus um den Elbtunnel herum, stockender Verkehr bei Hannover und Kassel und nicht enden wollende Baustellen sind jetzt Bilder, die nach und nach verblassen. Die Frucht mit grünem Apfel und Marille überlagert den Duft von warmem Gras und Sonne auf Asphalt. Spaziergänger schauen leicht belustigt, vielleicht auch ein wenig neidisch herüber und werden Zeuge eines entschleunigten Moments voller einfachem Luxus. Zeit haben. Keine Termine mehr. Unbezahlbar. Das Telefon ist ausgeschaltet und liegt irgendwo im Handschuhfach. Hier sind heute Abend nur ich und der Rhein.

Zur Ruhe kommen geht an vielen Orten. Während an der kühlen Flasche jetzt Feuchtigkeit kondensiert, halte ich nach dieser langen Reise inne. Der Riesling ist so schnörkellos und geradlinig wie meine norddeutsche Art. Ein kleiner Genussmoment inmitten eines einfachen Lebens. Mal raus aus dem Norden ist super, aber wozu in die weite Ferne schweifen? Die unübersichtliche, mediale Welt da draußen bleibt heute am anderen Ufer.

Ja, ein altes Auto und guter Wein, das geht. Ich erhebe mich aus dem Gras und hole meine Sachen aus dem Kofferraum. Es gibt noch so viele Stellen zu entdecken, an denen ein wenig Ruhe in unser Leben einkehren kann. Wo der Alltag, die Arbeit und die tägliche (ganz normale) Belastung Pause haben. Bestimmt kennen Sie auch diese Plätze, an denen sich der »Akku« wieder aufladen lässt. Lassen Sie sich von mir ab und an daran erinnern, sie mal wieder aufzusuchen. Später, auf dem kleinen Balkon vom Hotelzimmer, werde ich den Rest dieser guten Flasche genießen. Der große Fluss wird dann noch immer träge dort unten fließen. Und das wird er auch morgen. Der Rhein wird einfach immer da sein.