Anbaugebiet Mosel: Drei Flüsse – eine Rebsorte
Die Mosel ist eine Weißweinregion. Nur am Mittelrhein, der nicht weit entfernt zu finden ist, liegt der Prozentsatz weißer Trauben noch höher. Sage und schreibe 91 Prozent der Anbaufläche zwischen dem südlichen Moseltor bei Perl und der Mündung der Mosel in den Rhein bei Koblenz sind mit weißen Rebsorten bestockt, davon über 60 Prozent mit Riesling. Die 5.414 Hektar, auf denen hier die deutsche Premium-Rebsorte schlechthin wächst, machen die Mosel – nach der Pfalz – zum zweitgrößten Riesling-Anbaugebiet der Welt.
Riesling und Schiefer, das Traumpaar der Mosel
Weite Teile des Flusslaufs der Mosel werden von Schieferböden bestimmt. Und wenn es eine Rebsorte gibt, die auf Schiefer richtig aufblüht, dann ist es eben der Riesling. Kein Wunder also, dass der die Anbaustatistik der Region mit deutlichem Abstand anführt.In Kombination mit den steilen Hängen, an denen die Sorte hier wächst – die Mosel ist auch das größte Steilllagengebiet der Welt – sind die dunklen Schieferböden der ideale Ausgleich für die vergleichsweise nördliche Lage des Anbaugebiets. Die Hänge im Moseltal optimieren die der Sonne zugewandte Rebfläche, der sehr dunkle Boden wandelt einen großen Teil des einfallenden Lichts in Wärme um und speichert sie am Tag, um sich nachts wieder abzugeben. Gleiches machen auch die vielen zur Terrassierung angelegten Trockenmauern.
Wie Ahr und Rheingau beweisen, ist Schiefer ist aber auch eine Bodenart, auf der Spätburgunder eine besondere Klasse entwickelt. Dessen Anbau ist erst seit 1987 an der Mosel wieder erlaubt – seitdem wird er an der Mosel vermehr gepflanzt und bringt hochfeine und elegante Rotweine hervor.
Er profitiert genau wie der Riesling von der weinbaulichen Win-win-Situation: Die nördliche Lage sorgt für rassige Säure und damit spannungsreiche Weine – die ausreichende Sonne auf den Terrassen für Reife. Was schon die alten Römer wussten, denn vielfältige Relikte aus römischen Zeiten, insbesondere am Oberlauf des Flusses, belegen eine ausgesprochen lange Tradition im Weinbau.
Riesling Kabinett – weit mehr als nur ein „Möselchen“
Diese Kombination ist es vermutlich, die den speziellen Weinbaustil hervorgebracht hat, für den die Mosel berühmt ist: restsüße, aufgrund der hohen Säure aber spannungsreiche und gut balancierte Rieslinge mit eher wenig Alkohol. Angesichts der oft sehr dichten „Wuchtbrummen“ in anderen Gebieten werden die Weine oft etwas despektierlich als „Möselchen“ bezeichnet. Obwohl eben genau diese federnde Leichtigkeit bei vibrierender mineralischer Spannung sie so unverkennbar und einzigartig macht.
Aber auch die höheren Prädikate, die an der Mosel entstehen, haben weltweit einen hervorragenden Ruf. Die nördliche Lage bewirkt eine sehr lange Vegetationsperiode, teils bis in den November hinein. Das enge Tal liegt im Herbst recht zuverlässig bis in den späten Morgen im Nebel. Die mit dessen Feuchtigkeit nahezu zwangsläufig einhergehende Botrytis sorgt dann für hohe und höchste Mostgewichte, die Schieferböden fügen wie beim Kabinett Struktur und Mineralität hinzu. So entstehen dort neben dem Kabinett auch hervorragende Spätlesen, Auslesen, Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen.
Es muss nicht immer restsüß sein
Das besondere Terroir der Mosel verleiht aber auch den trocken ausgebauten Weinen ihre einzigartige, hochelegante Finesse. In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten haben sie deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen – sowohl seitens der produzierenden Winzer als auch seitens einer jüngeren Kundschaft. Deren Wunsch nach leichteren, alkoholarmen Weinen kommen sowohl die konventionell produzierenden Winzer als auch die in den letzten Jahren stetig zunehmende Zahl an jungen, experimentierfreudigen Weinmachern aus der Bio-, Biodynamie- und Naturwein-Szene nach.
Von der Grenze bis zur Mündung
Als Anbaugebiet erstreckt sich die Mosel von der luxemburgischen Grenze bis hin zur Mündung in den Rhein bei Koblenz, dem „Deutschen Eck“. Aufgeteilt ist das Gebiet in vier der Mosel- und zwei den Nebenflüssen Saar und Ruwer gewidmeten Bereiche. Der kleinste, direkt an der Grenze gelegene ist das Moseltor. Er umfasst 110 Hektar auf saarländischem Gebiet liegende Weinbauflächen – eher eine weinbau-politische Differenzierung, denn eine aus topologischen oder geologischen Gründen. Aus rein weinbaulicher Sicht kann man das Moseltor zur folgenden Obermosel zählen.
Obermosel heißt nicht Oberlauf
Die „Obermosel“ ist ein Bereich mit einem leicht missverständlich gewählten Namen. Denn geographisch gesehen handelt es sich nicht um den Oberlauf des Flusses – die Mosel entspringt und fließt 278 Kilometer lang als Moselle auf französischen Staatsgebiet. Am Dreiländereck verlässt sie Frankreich und bildet danach erst einmal 36 Kilometer lang den Grenzfluss zwischen Luxemburg und Deutschland. Der Bereich endet schließlich kurz vor der Mündung der Saar. Die Obermosel unterscheidet sich weinbaulich stark von den folgenden Bereichen. Auf 670 Hektar Muschelkalk-, Keuper- und Mergelböden wachsen hier vor allem Burgundersorten. Dazu kommt eine autochthonen Spezialität – der Elbling. Aus dem werden zumeist zwar eher einfach strukturierte Weine vinifiziert, aber mit deutlich besseren Ergebnisse bei der Versektung verdient der Elbling dennoch Aufmerksamkeit.
Eine Lagen-Legende an der Saar
Bei Konz mündet die Saar in die Mosel. Der Bereich „Saar“ umfasst 720 Hektar und 22 Einzellagen. Darunter ist eine der legendärsten Lagen der Welt: der Scharzhofberg. Die dort vinifizierten rest- und edelsüßen Weine zählen mit zu den begehrtesten Weinen weltweit und erzielen schon als Jungwein auf Auktionen fünfstellige Ergebnisse.
Ruwer, das heißt Riesling
Nach dem Trierer Stadtgebiet beginnt dann zwar schon die „Mittelmosel“, sie wird aber sofort noch einmal unterbrochen von der Mündung der Ruwer. 200 Hektar größtenteils auf Steillagen gelegene Flächen finden sich im Tal des Nebenflusses, in dem zu 90 Prozent Riesling angebaut wird. Stolz reklamiert man hier auch für sich, über Deutschlands älteste Weinlagen zu verfügen: Weinbau wird hier nachweislich schon seit vorrömischen Zeiten betrieben.
Mittelmosel – das Herzstück des Anbaugebiets
Von Schweich bis kurz vor Zell folgt dann das eigentliche Herzstück des Anbaugebiets: der Bereich Mittelmosel, der mit offiziellem Namen Bereich „Bernkastel“ heißt. Auf 50 Kilometern Flusslauf – mit seinen malerisch engen Flussschleifen – finden sich hier mit Piesport, Ürzig oder Zeltingen weltberühmte Weinbauorte und legendäre Lagen wie die Wehlener Sonnenuhr oder der Bernkasteler Doctor. Grau- und Blauschieferböden bilden – mit ein paar Ausnahmen in Form von Rotliegendem – hier die Grundlage der feinen und rassigen Rieslinge, die die Mosel berühmt gemacht haben.
Terrassenmosel – Trockenmauern, steilste Hänge und jede Menge Schiefer
Am Scheitelpunkt der letzten engen Moselschleife bei Zell beginnt dann der Bereich der „Terrassenmosel“. „Burg Cochem“ lautet heute dessen Name, früher hieß er einmal „Zell“. Die Mosel verläuft hier oft in engen Talabschnitten mit sehr steilen Hängen, die Weingärten befinden sich oft auf mit Natursteinmauern terrassierten Flächen. Mit dem Bremmer Calmont findet sich im Bereich eine Lage, in der trotz einer Hangneigung von bis zu 68° – das sind umgerechnet unglaubliche 248 % Gefälle – Weinbau betrieben wird. Sie gilt als steilste Weinlage Europas – schwindelfreien, trittsicheren und sportlichen Wanderern sei der quer durch die Lage führende Kletterpfad an dieser Stelle ans Herz gelegt. Die Mühen werden unterwegs immer wieder mit atemberaubenden Ausblicken belohnt und das Glas Riesling aus dem Calmont danach bekommt eine völlig neue geschmackliche Dimension.