Merlot, die Amsel aus dem Südwesten
Der Merlot ist ein großer Charmeur, der in Weinen wie dem
Petrus oder dem
Masseto Kult-Status erreicht hat. Neben Pomerol und Saint-Émilion gibt es die besten Exemplare in der Toskana und in Kalifornien. Wo exakt der Merlot entstanden ist, ist heute nicht mehr genau nachvollziehbar, aber es dürfte Frankreichs Südwesten gewesen sein. Sein Vater, das weiß man heute nach DNA-Analysen, ist der Cabernet Franc, seine Mutter die fast ausgestorbene Sorte Magdeleine Noire des Charentes, von der man 1996 ein einzelnes Exemplar in Saint-Malo in der Bretagne gefunden hat. 1783 wurde die Sorte erstmals unter ihrem heutigen Namen in Libourne erwähnt und somit nahezu am gleichen Ort und fast zur gleichen Zeit wie der Cabernet Sauvignon. Möglich ist aber, dass sie als Crabutet Noir schon 400 Jahre früher bekannt war. Mit dem Cabernet Sauvignon hat der Merlot dann auch den Elternteil Cabernet Franc gemeinsam. Außerdem ist er eng verwandt mit Carmenère, Malbec und Abouriou, drei weiteren Sorten des französischen Südwestens. Der Name Merlot oder Merlaut bezieht sich wohl auf Merle, den französischen Namen für die Amsel. Diese Vögel mögen die reifen Merlotbeeren tatsächlich sehr gerne aufgrund ihrer Frucht und der dünnen Schalen, die sie viel leichter durchstoßen können als die dicken Schalen des Cabernet. Die Ähnlichkeit des Merlot zu seinem Geschwister Carmenère ist übrigens so stark, dass diese Sorte über ein Jahrhundert lang in Chile als Spielform des Merlot betrachtet wurde. Erst in den späten 1980er Jahren entdeckte man, dass große Rebbestände eigentlich Carmenère waren, was diese Sorte zur roten Signature-Rebe des Landes gemacht hat.
Merlot und Cabernet, zwei ungleiche Geschwister
Auch wenn Merlot und Cabernet Sauvignon eng verwandt sind, so sind doch die Unterschiede augenfällig. Während der Cabernet dicke Schalen besitzt, sind es beim Merlot dünne. Der Cabernet reift spät, und daher kann man den Merlot zwei Wochen früher lesen. Wirkt der Cabernet mit seiner dicken Beerenhaut und den vielen Kernen ruppig und manchmal grün, präsentiert sich der Merlot als großer Charmeur mit viel Frucht und weicheren Tanninen, weshalb die Sorte auch sehr gerne reinsortig ausgebaut wird. Typisch sind Noten von Pflaumen und Kirschen, Himbeeren und Cassis, Mandeln und etwas Karamell. Eher schwierig ist, dass die Sorte zu viel Alkohol neigt, was ihr im Klimawandel zunehmend zu schaffen machen dürfte. Trotzdem findet man sie heute auch in heißen Regionen wie dem
Languedoc, der italienischen Maremma, in Moldawien oder Bulgarien. In deutlich kühleren Regionen wie dem Trento, dem Friaul und dem Veneto wie auch dem schweizerischen Tessin ist sie als reinsortiger Wein jedoch ebenfalls beliebt und präsentiert sich entsprechend säurebetonter. Im Veneto wurde sie bereits 1855 erwähnt, allerdings unter dem Synonym Bordò. Insgesamt ist sie weltweit sehr erfolgreich, kann einfache Landweine hervorbringen wie zum Beispiel im Languedoc den Vin de Pays d’Oc, auch klassische Cuvées wie in
Bordeaux, aber auch große reinsortige Weine wie den
Petrus, den Le Pin oder
Masseto. Ihre Vielseitigkeit hat sie nach dem Cabernet Sauvignon zur zweithäufigsten roten Rebsorte werden lassen. Mit rund 110.000 Hektar stehen allein in Frankreich so viele Hektar unter Merlot-Reben wie in Deutschland insgesamt. Weil der Merlot einen solch einnehmenden Charakter besitzt, hat man immer wieder versucht, diese Eigenschaften auch in Neuzüchtungen unterzubringen. Wirklich erfolgreich war man damit nicht – bis auf eine allerdings wohl natürlich erfolgte Kreuzung mit dem Cabernet, die in den letzten Jahren als Caberlot in der Toskana für Furore gesorgt hat. Der Merlot neigt wie der Cabernet keineswegs verstärkt zu Mutationen. Trotzdem hat man in den 1980er Jahren in Brasilien die Varianten Merlot Gris und Merlot Rosé gefunden. Der Merlot Blanc ist allerdings keine Mutation, sondern eine eigene Sorte, deren einer Elternteil der Merlot und deren anderer Elternteil die Folle Blanche ist.