Tempranillo

Nummer Eins der Iberischen Halbinsel: Tempranillo

Wenn man auf die letzte statistische Erhebung der spanischen und portugiesischen Rebsorten im Jahr 2016 schaut, dann liegt der Tempranillo in beiden Ländern vorne – auch wenn in Spanien die weiße Airén noch häufiger angebaut wurde, allerdings mit deutlich abnehmender Menge und als Ausgangssorte für Brandy und nicht für Qualitätswein. Heute dürfte der Tempranillo über der Airén liegen und auch mehr als 200.000 Hektar der knapp eine Million Hektar erreichen, die in Spanien unter Reben stehen. Wenn man dann die 17.000 Hektar Portugals noch dazunimmt, dann ergibt sich, dass der Tempranillo unter den Rebsorten dieser Welt zu den fünf häufigsten gehört, und das, obwohl sowohl in Spanien als auch in Portugal eine große Menge autochthoner exzellenter Rebsorten zur Verfügung steht. Es muss also etwas Besonderes sein, was den Tempranillo auszeichnet. Wann die Sorte, die von den spanischen Sorten Albillo Mayor und Benedicto abstammt, genau sie entstanden ist, weiß man nicht mit Sicherheit, zumal sie möglicherweise schon im Mittelalter unter anderem Namen angebaut wurde. Definitiv ist sie alt und besitzt über 80 Synonyme, von denen der am weitesten verbreitete Name Cencibel in Castilla-La Mancha, in Madrid, der Extremadura, in Aragón und Murcia ist. Dazu kommen Tinta del País oder Tinto Fino in Ribera del Duero, Tinta de Toro in Toro, Ull de Llebre in Katalonien sowie die Bezeichnungen Aragones, Aragonez oder Tinta Roriz in Portugal.

Tempranillo, der Frühblüher

Temprano bedeutet im Spanischen früh. Der Tempranillo kann also frei mit der Frühe übersetzt werden, was daran liegt, dass er tatsächlich früh blüht und früh ausreift – etwa zwei Wochen früher als die Garnacha, mit der er oft verschnitten wird. Das verschafft ihm gegenüber anderen Sorten einen Vorteil in eher kühlen oder atlantisch geprägten Regionen wie der Rioja Alta und der Rioja Alavesa, wo er seit langer Zeit mit rund 35.000 Hektar am stärksten vertreten ist. Er wird dort oder beispielsweise auf den Hochebenen der Mancha meist traditionell in Buschform erzogen, um ihn gegen die oft starken Winde zu schützen. Die Sorte ist ausgesprochen ertragreich, weshalb man aus ihr hohe Erträge und dünne Weine erzeugen kann, wie es in Argentinien lange üblich war. Was ihr sehr zugute kommt, sind ihre besonders dicken Schalen, die sie sehr robust machen.

Das Aroma des Tempranillo ergibt sich aus der Herkunft und der Kellerarbeit

Grundsätzlich sorgt der Tempranillo mit seinen dicken Schalen mit viel Farbstoff für intensive dunkle Weine, die beispielsweise im Gegensatz zur Garnacha moderat im Alkohol sind. Ebenso moderat sind im Allgemeinen die Säurestruktur und auch das Tannin, sodass man hier durchaus von einem Crowd-pleaser sprechen kann. Diese Eigenschaften kommen bei einem Wein jedenfalls eher selten gemeinsam vor und dürften zusammen mit der Wandelbarkeit der Sorte für den großen Erfolg gesorgt haben. Es duftet häufig intensiv nach Erdbeeren, Himbeeren, Kirschen und Pflaumen, Gewürzen, Kräutern, Leder und Tabak. Junger Tempranillo kann auch manchmal an jungen Syrah erinnern, wenn er Noten von Teer und abgehangenem Fleisch ins Glas bringt. Interessant wird es beim Tempranillo vor allem dann, wenn er Kontakt mit Holz bekommen hat. Klassischerweise wurde er ein Jahrhundert lang meist lange in größeren Fässern aus amerikanischer Eiche ausgebaut. Ab den 1980ern ist es dann Mode geworden, ihn stark extrahiert ins kleine französische Barrique zu geben.

Ein neuer Stil

Diese modernere Stilistik hat zunächst in Ribera del Duero für Erfolg gesorgt, wo es über Jahrzehnte hinweg neben Vega Sicilia und Tinto Pesquera kaum einen bedeutenden Wein gab. Das änderte sich rasant ab den 1980er Jahren mit Weinen wie etwa dem Pingus von Peter Sisseck, worauf man in der Rioja, wo man bis dahin den Stil des langen Fassausbaus in großen Fässern gepflegt hatte, reagieren musste, um nicht plötzlich die Nummer Zwei in Spanien zu werden. Also änderte sich auch dort der Stil der Weine. Wurden die Trauben früher recht früh gelesen, wanderten nun sehr reife, konzentrierte Trauben in die Keltern und später in stark getoastete Barriques. Statt eines Stils mit reifer heller Frucht, etwas Bohnenkraut und leicht oxidativen Zügen der klassischen Rioja hatte man nun eine konzentrierte junge dunkle Frucht und Holz im Glas, was sehr erfolgreich wurde. Die Region Toro, die für sich davon ausgeht, den Urtyp des Tempranillo zu besitzen, zog nach und erzeugte noch mächtigere Weine. Doch das hat sich alles im letzten Jahrzehnt wieder ausbalanciert, und der Tempranillo zeigt sich in einer großen Vielfalt auf der gesamten Iberischen Halbinsel.