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Are you natural?

Zwei Zauberworte euphorisieren derzeitig die Weinwelt und werden gehandelt wie eine Wunderwaffe gegen Konformismus und Langeweile. „Natural Wine„ und „Orange Wine“. Okay, beides sind eher Nischenprodukte, keine Frage, dennoch haben diese Weine zweifelsfrei zu einer lebhaften Diskussion beigetragen, aber wie das so ist in unserer Zeit, teilweise auch schon einen Religionskrieg ausgelöst.

Veröffentlicht am 18. Januar 2019

Weinfachhandlungen haben herkömmlichen Weinen abgeschworen und setzen nur noch auf „Natural“ oder Orange“ und auch Restaurants haben ihre Bestände verramscht und durch eben diese „neuen-alten“ Weine ersetzt.

Es soll hier nicht darum gehen, gegen diese Weinstile zu polemisieren, der Verfasser dieser Zeilen ist weit davon entfernt Winzern ihre Geschäftsmodelle vorschreiben zu wollen. Schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass einige dieser „Natural Wines“ und „Orange Wines“ die Weinszene ungemein bereichert haben. Nein, wir leben – dem Himmel sei Dank – ja in einem Land, in dem ein Winzer jene Weine erzeugen darf, von deren Stilistik und Qualität er überzeugt ist, und ein jeder das genießen darf, wonach ihm der Sinn steht, zumindest solange er nicht mit dem Betäubungsmittelgesetz in Konflikt gerät.

Dennoch muss aber auch vor dem Hintergrund, dass es bereits Kreise gibt, die diese Weine als alleiniges Allheilmittel betrachten und verfechten, einmal erörtert werden, worum es hier überhaupt geht. Was sind eigentlich „Natural Wines“, bzw. „Orange Wines“?

„Natural Wines“ sind Weine, die vor allen Dingen im Weinberg mit so wenigen Eingriffen wie möglich erzeugt werden, im weitesten Sinn sind sie also biologisch – oder sollten es sein. Eine gesetzliche Definition oder eine Zertifizierung dafür gibt allerdings nicht. Die Weine werden mit Naturhefen oder wilden Hefen vergoren, und Zusätze sollten vermieden werden. Das gilt auch für die Zugabe von Schwefel als Schutz gegen u.a. die Oxidation, die gering, teilweise auch ganz ausfällt. Die Weine haben daher bereits in einem jungen Stadium einen zumindest leichten oxidativen Charakter, der von den einen inniglich geliebt, von anderen zutiefst verachtet wird. Hierbei gibt es zwei Probleme. Es gibt keinerlei Definition, was genau eigentlich ein „Natural Wine“ ist, welche Voraussetzungen müssen eigentlich gegeben sein. Und zum anderen signalisiert der Begriff im Prinzip, es handle sich hier um natürlichen Wein im Gegensatz zum Rest der Welt – der dann unnatürlich wäre? Mitnichten, denn viele Winzer arbeiten heute organisch, ökologisch, biologisch oder sogar biodynamisch. Die Schar derer erhält beinahe täglich neuen Zulauf, und die derart bewirtschafteten Rebflächen wachsen weltweit. Machen die etwa keine natürlichen Weine? Außerdem wurden mit dem Begriff „natural“ häufig auch schlichtweg Weinfehler schöngeredet. Und wenn die Oxidation die Rebsortentypizität weitgehend ausgemerzt hat, dann bleibt in solchen Fällen ja immer noch der Hinweis, es handle sich hier um das „Terroir“, man schmecke eben die Herkunft und den Boden. Man sieht also, da schlummern noch einige spannende Diskussionsthemen!

„Orange Wines“ dagegen sind Weißweine, die, wie es vor hunderten von Jahren häufig üblich war, an der Maische, also den Traubenschalen, vergoren werden und zum Teil sogar noch mazerieren. Da so auch Farbstoffe und Gerbstoffe aus den Schalen ähnlich wie bei der Rotweinerzeugung extrahiert werden, gewinnt der Wein eine zumindest tiefgelbe Farbe, die an die Farbe Orange erinnert. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass diese Weine häufig naturtrüb belassen werden, was den Farbton weiter intensiviert. Diese Weine sind eigenwillig und originell und können sehr spannend sein vor allen Dingen im Zusammenhang mit Speisen, jedermanns Sache sind sie auf der anderen Seite aber nicht. Auch hier ist die Differenzierung zwischen „das soll so schmecken“ und fehlerhaft in einigen Fällen schwierig, die Übergänge gestalten sich fließend.

Neu ist das Verfahren der „Orange Wines“ übrigens nicht. Bereits vor 8000 Jahren füllten die Georgier Wein und Schalen in Amphoren und vergruben diese dann in der Erde. Was heute als revolutionäre Neuerung in der Weinbereitung gefeiert wird, war damals ganz einfach eine Notwendigkeit, denn auf diesem Weg wurden die Amphoren den warmen Tagestemperaturen entzogen. Das hindert den einen oder anderen Erzeuger indes nicht so zu tun, als hätten Amphorenweine in unseren Breiten eine große Tradition und Geschichte – nein, haben sie nicht.

So schön und spannend der eine oder andere „Orange Wine“ auch sein mag, so muss doch auch hier gesagt werden, gesetzliche Regelungen, was ist „orange“ und was nicht, gibt es nicht. Und so wird gerne der Eindruck beim Konsumenten erzeugt, es handle sich um einen Wein aus naturnaher oder gar biologischer Produktion. Eine Garantie dafür indes gibt es nicht, da muss man schon dem Erzeuger vertrauen. Und doch wird dieser Begriff häufig und gerne in die Nähe natürlicher Weine gerückt, als wären „herkömmlich“ erzeugte Weine unnatürlich.

Ein wenig mehr Sachlichkeit und kritische Differenzierung, sowie auch verbindliche Regelungen und Definitionen wären also wünschenswert, dann hätte man an „Natural Wines“ und „Orange Wines“ auch mehr Freude. Denn, es sei gerne wiederholt, beide Weinstile bereichern die Weinwelt und haben also schon von daher absolut ihre Daseinsberechtigung.