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Geschichten über Etiketten: Château Mouton Rothschild

Das Etikett, englisch »Label«, ist die Visitenkarte zum Wein. Man könnte auch sagen Etiketten sind der Personalausweis des Weines. Dem Etikett, häufig heute auch im Verbund mit dem Rückenetikett, lassen sich alle relevanten Informationen zum Wein entnehmen, etwa die Herkunft, eventuell, falls es sich nicht um eine Cuvée handelt, die Rebsorte(n), oder der Alkoholgehalt.

Veröffentlicht am 25. September 2018

Um Wein-Etiketten ranken sich aber auch Geschichten und Legenden, und das eine oder andere Mal wurden sie auch für die Übermittlung von Botschaften genutzt, in einzelnen Fällen auch politische. Und natürlich bildeten Etiketten auch immer wieder eine Leinwand für Maler und bildende Künstler, das berühmteste Beispiel ist längst Legende – Château Mouton-Rothschild. Da einige der Geschichten rund um das Wein-Etikett spannenden Erzählstoff liefern, wollen wir Ihnen diese an dieser Stelle nicht vorenthalten. Beginnen wollen wir tatsächlich mit der »Mutter« aller Künstleretiketten, nämlich dem bereits erwähnten Château Mouton-Rothschild, das seit 1945 jeden Jahrgang einem berühmten Künstler widmet.

1992, wenige Monate vor der Release des überragenden Bordeaux-Jahrgang 1989 ging ein Raunen, nein, fast ein Aufschrei durch Frankreich. Was war passiert? Im Januar des Jahres 1992 hatte die Familie Rothschild bekannt gegeben, dass die Gestaltung des Etiketts des 89er Mouton-Rothschild dem berühmten und heute längst legendären deutschen Maler Georg Baselitz übertragen worden war. Eine jüdische Familie engagiert einen deutschen Maler – schon das war eine Überraschung, aber längst nicht die letzte. Denn Baselitz thematisierte in seiner Gestaltung ein sehr deutsches Thema, das wichtigste der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts: die Wiedervereinigung Deutschlands. Und dafür durfte er sogar mit einem Tabu brechen: dem Künstler gehörte bis dahin stets nur das oberste Drittel des Etiketts, die restlichen zwei Drittel waren stets dem Château vorbehalten. Aber was Ikonen der bildenden Kunst wie Pablo Picasso, Victor Vasarely, Marc Chagall oder Salvador Dali vorbehalten blieb, Georg Baselitz durfte sein Drittel verlassen und auch den Rest des Etiketts in sein Werk mit einbeziehen. Dort zieren die Worte »drüben rein jetzt hier« das Label.

 


Quelle: https://www.chateau-mouton-rothschild.com

Für eine ganz anders gelagerte Geschichte um ein Mouton-Etikett sorgten zu Beginn des Jahres 1996 amerikanische Sittenwächter. Für das Etikett des Jahrgang 1993 hatte die Familie Rothschild diesmal den geheimnisumwobenen, zugleich aber von Rockstars wie Bono oder Mick Jagger oder Schauspielern wie Tony Curtis bewunderten Balthus gewinnen können, ebenfalls längst eine Legende der Malerei.

Balthus veredelte das obere Drittel des Etiketts mit einer beinahe hingehauchten Bleistiftzeichnung eines weiblichen Aktes – zu viel für die amerikanischen Hüter des Anstands. Das Etikett, und somit der Import, wurden verboten, und es wurde um eine andere Gestaltung gebeten.

Dem kam Chateau Mouton-Rothschild nicht nach, stattdessen eliminierte man für den amerikanischen Markt die Bleistiftstriche, so dass nur der Hintergrund übrigblieb. So war dies bislang der einzige Château Mouton-Rothschild und überhaupt einer der ganz wenigen Fälle auf der Welt, wo ein und derselbe Wein mit unterschiedlichen Etiketten auf den Markt kam. Da Amerika natürlich nur einen Teil des 1993er abnahm, stellt die amerikanische Version allerdings eine Rarität wie Kuriosität dar, die heute unter Sammlern bei an und für sich schon stolzen Preisen recht hoch gehandelt wird.