Wein zu bestellen, ist in den angesehenen Restaurants dieses Landes eigentlich kein Problem, es sei denn ein körperliches. Denn manch eine Weinkarte ist so schwer, dass man sie nur nach einem 4-wöchigen Training in der Fitnessbude balancieren kann. Was aber ist mit jenen, die gerne zwischendurch oder zu einem Essen einfach ein Glas Wein trinken möchten, ohne sich gleich z.B. allein an einer ganzen Flasche zu beschickern?
Da scheinen in den meisten Fällen die guten Manieren den Bach runtergegangen zu sein. Denn schaut man in die Getränkekarten, sei es in der Lieblingskneipe um die Ecke oder in einem gut bürgerlichen Restaurant, so scheinen die spartanischen Angaben über die offenen Weine signalisieren zu wollen, dass einem der Gast, der nur einen „Schoppen“ trinken möchte, ziemlich egal ist. Während die eigentliche Weinkarte vor Angaben zu überborden scheint – da steht neben Jahrgang, Herkunft, Erzeuger und Rebsorte auch gleich der ganze Obstsalat, so dass man zur Lektüre Tage bräuchte – so entledigen sich bei dem Thema “offener Wein” die Verfasser der Informationspflicht mit Angaben wie „Weißburgunder Trocken“, „Pinot Grigio“ oder „Vino Rosso“. Reicht ja, der Gast muss ja nicht unbedingt wissen, was er da trinkt. Was im Übrigen manchmal auch ganz gut ist. Denn was teilweise dann unter dem lusterweckenden Namen WEIN in das Glas kommt, hat mit Rebensaft wenig oder auch gar nichts zu tun. Was die Frage aufwirft, ob manch eine ausgeschenkte Substanz denn überhaupt jemals mit einem Rebstock Kontakt hatte. Und wer weiß schon, was einem möglicherweise hinter dem Tresen in das Glas gekippt wurde, vielleicht aus dem Tetrapack?
Manch ein Gastronom ist da schon beflissener und gibt wenigstens so etwas wie Basisinformationen zum offenen Wein an, etwa „Riesling Trocken Pfalz“, immerhin, man erfährt wenigstens, wo der herkommt. Den Jahrgang lässt man tunlichst weg, bei jedem Wechsel müsste man ja die Karte neu drucken. Außerdem, ohne Jahrgangsangabe kann man ja auch gerne eine im Keller vergessene oder übersehene Flasche aus dem letzten Jahrhundert in den Ausschank bringen. Aber was erreicht man damit? Die Lust auf einen guten und erfrischenden Schluck wird durch das Servieren geschmackloser, firner, häufig auch schlichtweg fehlerhafter Weine noch vor Verzehr der ersten Gabel getrübt. Nur scheinbar scheint sich niemand ernsthaft daran zu stören, denn verkauft werden diese kuriosen Tropfen trotzdem. Für viele aber gilt, wer sich einmal seine wohlverdiente Ruhepause mit einem Wein im wahrsten Sinne des Wortes „versauert“ hat, greift für die Zukunft doch lieber wieder zu einem gut gezapften Pils und sagt JA zu deutschem Wasser.
Auch die Trinkkultur scheint unter der Schlechtwetterlage dieser Weine gelitten zu haben, denn was so lieblos feilgeboten wird, braucht auch nicht in einem vernünftigen, dazu passenden Glas serviert zu werden, da reichen Behältnisse auf einem Niveau kurz vor dem Zahnputzbecher. Schon oft mochte Mann/Frau seinen Augen nicht trauen, wenn der georderte Wein in einem dicken, plumpen Römerglas lieblos auf den Tisch kommt und so vollgeschüttet wurde, dass nur durch die Oberflächenspannung der Flüssigkeit kein Tropfen danebengeht. Vielleicht soll der Füllstand aber nur signalisieren, dass sich hier ein Beschnuppern des Bouquets ohnehin nicht lohnen wird. Übrigens sieht man diese Unsitte keinesfalls nur in Großstadtkneipen, man kann diese hohe Kunst des Einschenkens und Servierens tatsächlich auch in den Weinstuben klassischer deutscher Weinbauregionen beobachten, als ob man es dort nicht besser wissen könnte.
Aber es gibt, dem Himmel sei Dank, auch das Gegenteil. Immer mehr Weinbars und auch Restaurants gehen dazu über, das Thema “offener Wein” auch in iherer Karte korrekt und in vollem Umfang auszuzeichnen. Und es kommt noch besser. Man kommt mit Flasche und Glas an den Tisch und lässt den Gast den Wein seiner Wahl zuvor probieren und nimmt dabei billigend in Kauf, dass dieser Probeschluck auch dazu führen könnte, die Wahl nochmals zu überdenken. Was einen weiteren Probeschluck zur Folge hätte. Das sollte aber nicht dazu verleiten, solange die Entscheidung zu ändern, bis man sichtbar angetrunken ist und mit deutlichen Sprachstörungen das Lokal verlässt. Aber im Prinzip gehört es sich doch so: Wenn man sicher ist, dass man guten Wein offen ausschenkt, dann kann man ihn auch präsentieren und den Gast wissen lassen, was er da trinkt. Auch gegebenenfalls durch eine Probe.