Was für den Journalisten dank täglicher Praxis wie selbstverständlich erscheint, ist für den Weinliebhaber und Weinfreund mitunter unverständlich und unübersichtlich, ja vielleicht sogar ein Mysterium. Was also hat es denn nun auf sich mit den 1., 2. und eventuell auch 3. Weinen. Was ist das denn nun, so werden wir ein um das andere Mal gefragt. Versuchen wir einmal ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen.
Sogenannte »Zweitweine« sind keine Erfindung der Neuzeit, im Prinzip gibt es diese schon seit über 100 Jahren, speziell in Bordeaux. Genau von dort stammt auch dieser Begriff. Richtig populär geworden sind diese »Zweitweine« aber erst in den letzten gut 30 Jahren, speziell durch Veröffentlichungen und Besprechungen in populären Weinpublikationen wie etwa dem Winespectator oder dem Wine Advocate, im besonderen Maß fokussiert auf die berühmten Chateaux des Bordelais. Damit wäre auch darauf hingewiesen, dass sich diese Angelegenheit in erster Linie auf die Region Bordeaux und deren Subregionen und Gemeinden wir Pauillac, St. Émilion oder Pomerol bezieht. Mittlerweile ist aber diese Art der Qualitätskategorisierung auch anderswo innerhalb und auch außerhalb von Frankreich zunehmend populär. Seit 1993 darf übrigens ausdrücklich die Domaine oder das Châteaux auf dem Etikett genannt werden.
Beginnen wir also mit dem »Erstwein«. Der stellt natürlich das Aushängeschild des Châteaus dar, es handelt sich um einen Super Premium Wein, erzeugt aus geringen Erträgen im Regelfall der ältesten Rebstöcke. Diese zählen häufig zu den gesuchtesten und begehrtesten Weinen der Welt, was sich natürlich auch im Preis niederschlägt, handelt es sich doch um die klassifizierten Spitzengewächse oder die Tops of the Tops der Region. Soweit der »Erstwein«, alles klar?
Doch nun der »Zweitwein«. Wenn oben gesagt wurde Weine der ältesten Reben, so gibt es natürlich auch jüngere Rebanlagen oder Weinberge. Diese liefern keineswegs einen schlechteren Wein, jedoch einen anderen, und der wird dann für den »Erstwein« nicht herangezogen, sondern darf im »Zweitwein« segensreiches Werk vollbringen. Auch werden die Fässer des »Erstweins« regelmäßig verkostet um die Entwicklung zu überprüfen. Nun entwickelt sich aber kein Fass exakt wie das andere, und so werden Fässer, die vom Durchschnitt abweichen ebenfalls aussortiert. Der Wein wandert dann auch in den »Zweitwein«. Sind Zweitweine belangloser, langweiliger oder gar schlechter als der »Erstwein«? Das kann natürlich schon passieren, im Regelfall sind diese Weine jedoch sehr gut und qualitativ vom Vorzeigewein kaum entfernt, kosten aber weitaus weniger. Wer also auf das Geld schauen muss und gerne Bordeaux trinkt, ist mit dem »Zweitwein« häufig sehr gut bedient, nicht wenige erreichen Bewertungen die hauchdünn am »Erstwein« liegen.
Nun betritt aber in letzter Zeit immer häufiger ein »Drittwein« die Bühne. Dieser entsteht im Prinzip aus den gleichen Gründen wie ein »Zweitwein«, nur dass hier häufig auch ein Konzept-oder Markengedanken im Hintergrund die Fäden zieht. Es kann sich dabei etwa um einen speziellen Wein eines bekannten oder berühmten Erzeugers handeln, der z.B. nur für die Gastronomie konzipiert wurde, damit ein legendärer Name auch im Top-Restaurant mit einem erschwinglichen Wein vertreten ist.
»Zweit- und Drittweine« bieten also dem Weinfreund die Möglichkeit einen erstklassigen Erzeuger kennenzulernen ohne sein Budget allzu sehr strapazieren zu müssen – okay, das ist eine Sache des Blickwinkels. Und mindestens die »Zweitweine« kommen häufig dicht an die Ausnahmequalität des »Erstweines« heran, das muss aber nicht in jedem Fall so sein. Auch hier hilft es jemanden zu fragen, der sich damit auskennt oder man informiert sich an Hand der Fachliteratur oder über das Internet.
Hier ein Beispiel aus der Praxis, nehmen wir doch einfach einmal das weltberühmte Chateau Margaux, klassifiziert als 1er Cru Classé de Margaux. Der »Erstwein«, der häufig an der magischen Grenze von 100 Punkten kratzt, ist natürlich – Chateau Margaux! Der »Zweitwein« wurde auf den Namen »Pavillon Rouge du Chateau Margaux« getauft und macht parallel zum »Erstwein« die Jahrgangsschwankungen natürlich mit. Liegt der »Erstwein« bei 99 oder 100 Punkten, dann rückt der Zweitwein schon einmal auf 95 Punkte vor und liegt damit im Rahmen klassifizierter Gewächse. Hier kann sich also ein Erwerb lohnen und bezahlt machen.
Der »Drittwein«hört auf den Namen Margaux de Chateau Margaux und ist extrem charakteristisch für die Region. Allerdings wurde dieser Wein tatsächlich in erster Linie für die Gastronomie konzipiert, weshalb er –zumindest zunächst einmal im Fachhandel nur schwerlich auftauchen dürfte. Aber auch hier gilt, man bekommt eine Menge Chateau Margaux für sein Geld.
Wer also den allerbesten Wein eines Chateau wie Chateau Margaux im Keller haben möchte und dabei nicht auf das Geld schielen muss, der legt sich natürlich den legendären Chateau Margaux 1er Cru Classé zu. Allerdings wohl auch in dem Bewusstsein, dass man eine derartige Flasche nur zu einer ganz besonderen Gelegenheit öffnen wird. Wer da schon vorsichtiger handeln muss, der greift zum Pavillon Rouge, der preislich den Genuss einer Flasche auch außerhalb von Festtagen zulässt. Und wer einen Wein von Chateau Margaux zu einem schönen Menü genießen möchte, der studiere eben die Weinkarte ob nicht eventuell der »Drittwein« zur Verfügung steht. Wir wünschen jedenfalls viel Genussfreude, ob nun 1.,2. oder 3.!