Manch einer nennt sie sogar »revolutionär«, aber ob wild oder revolutionär, so gerne hört diese Generation diese Begriffe gar nicht. Denn auch wenn sie vieles anders machen, sie legen großen Wert darauf, das Rad eben gerade nicht neu erfunden zu haben. Im Gegenteil, sie greifen zurück auf natürliche Bewirtschaftungsmethoden der Großväter, vergären ihre Weine wieder mit Naturhefen – wie früher – und lassen überhaupt der Natur ihren Lauf, ohne groß einzugreifen.
WAS ABER MACHT DIESE WINZERGENERATION ANDERS?
Vor allen Dingen eines: Sie schaut über den Tellerrand. Viele dieser jungen, dynamischen Winzer haben nach ihrem Weinbau- und Önologiestudium die Welt bereist, haben studiert wie große Burgunder entstehen, große Chardonnays im Napa Valley oder große Shiraz-Weine in Australien. Das bei diesen Praktika erworbene Wissen setzen sie nun zu Hause in ihren Weingärten und Kellern um – mit gewaltigem Erfolg.
Winzer wie Wageck oder Rings haben dazu beigetragen, dass die Pfalz heute eine der spannendsten Weinbauregionen Deutschlands ist. Ein Winzer wie Dautel hat eindrücklich unter Beweis gestellt, dass es in Württemberg mehr und spannenderes gibt als nur den Trollinger, und Meike Meyer-Näkel an der Ahr tritt problem- und furchtlos in die gewaltigen Fußstapfen ihres Vaters, der als einer der Spätburgunder-Könige des Landes gefeiert wird.
Und noch etwas machen diese jungen Winzer anders: Sie igeln sich nicht ein, sie sind vernetzt, sie beraten sich untereinander, sie verkosten und diskutieren ihre Weine und befruchten sich so gegenseitig. So ist auch manch eine Interessen- oder Vermarktungsgemeinschaft entstanden, neben einer Vielzahl an spannenden und aufregenden Weinen. Da wächst neben der etablierten Elite eine neue Winzergeneration der Winzerszene in Deutschland heran, die die Weinszene national und international enorm beleben wird.
DIE ETABLIERTE ELITE DER WINZERSZENE IN DEUTSCHLAND
Es gab schon immer eine absolute Elite im deutschen Weinbau, und das schon vor mehr als 100 Jahren. Diese Elite hat damals z.B. in ihrem kompromisslosen Qualitätsstreben dafür gesorgt, dass deutsche Weine teurer gehandelt wurden als jeder noch so hoch gehypte Bordeaux oder Burgunder, wie historische Preislisten und alte Weinkarten belegen. Sogar zur Eröffnung des Suez-Kanals wurde ein Wein aus Deutschland ausgeschenkt. Für diese Exklusivität stehen alteingesessene Namen wie von Winning oder von Schubert, dessen Wein aus dem Weingut in Grünhaus an der Ruwer schon die Familie des Philosophen und Kapitalismuskritikers Karl Marx genossen haben soll. Von Winning gehörte bereits dem Verein der »Naturweinversteigerer« und war maßgeblich an der Gründung des VDP beteiligt, auch wenn das Weingut im Verlauf des letzten Jahrhunderts seinen ursprünglichen Namen aufgab und als Weingut Dr. Deinhard seinen Wein auf den Markt brachte. 2007 erhielt es seinen ursprünglichen Namen zurück und Stefan Attmann hat das Haus von Winning zu einem der bedeutendsten Weingüter des Landes geformt.
Diese Elite hat deutsche Weingeschichte geschrieben, etwa Wilhelm Weil, der Ende der 80er Jahre das Weingut Robert Weil im Rheingau zu der Ikone deutscher Weinkultur entwickelte und damit den Grundstein legte für jenes große Ansehen, das Wein aus Deutschland heute wieder weltweit genießt. Da ist auch die Geschichte von Ernst Loosen, der sich Ende der 80er Jahre entscheiden musste, ob er Archäologe werden sollte, oder doch lieber Winzer. Zum Glück für Weinfreunde aus aller Welt hat er sich für den Winzer entschieden. Das Weingut Dr. Loosen zählt heute zu den wichtigsten an der Mosel, seine Erfahrung in Sachen Riesling hat ihn selbst zu einem weltweit viel gefragten Experten gemacht. Natürlich müsste man auch die anderen erwähnen, die Wein aus Deutschland wieder Weltgeltung verschafft haben: Hermann Dönnhoff etwa oder, das Weingut Emrich Schönleber, ohne deren Weine keine Top-Weinkarte in Berlin, London, New York oder Tokyo denkbar wäre.