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Bordeaux 2020: »EINE KLARE EMPFEHLUNG«

Ein Gespräch mit Fine-Wine-Consultant Werner Riess über den Jahrgang 2020 und den Sinn der Subskription.

Veröffentlicht am 11. Juni 2021

Wann sind Sie mit der Subskription in Kontakt gekommen?

Schon kurz nach Abschluss meines Studiums an der Weinuniversität in Geisenheim, Anfang der 1980er Jahre, begann ich meine Tätigkeit im Einkauf und Verkauf hochwertiger Weine bei einem Weinhändler in Hessen. 1989 wechselte ich als Einkaufsleiter zum Hanseatischen Wein- und Sekt Kontor (Hawesko) in Hamburg. Es war die Zeit, als die Subskription hochklassiger Bordeaux-Weine für Privatkunden so richtig Fahrt aufnahm. Und innerhalb weniger Jahre entwickelte sich Hawesko zu einem der bedeutendsten Einkäufer von klassifizierten Bordeaux-Weinen in Europa. Es war eine regelrechte Sturm- und Drangzeit, und wir gaben unzähligen Bordeaux-Liebhabern die Möglichkeit, ihre Keller mit großen Weinen zu den vorteilhaften Primeur-Preisen zu bestücken.

Die älteren Weinliebhaber trauern diesen Zeiten heute noch nach.

Klar, denn zum einen sind viele dieser Weine heute phantastische Genussweine und zum anderen werden sie auf Auktionen zu teils dramatisch höheren Preisen als damals verkauft. Auch wenn die meisten Käufer in Deutschland in den 1980ern und 1990ern diese Weine eher zum späteren Trinkgenuss gekauft haben, wurden sie in anderen Ländern bereits als interessante Wertanlage betrachtet.

Manche Weinliebhaber sehen Weininvestment kritisch…

Man sollte jedes Investment kritisch sehen und sich auf das Know-how seriöser und erfahrener Berater stützen. In Zeiten, in denen viel verfügbares Geld weltweit vorhanden ist und niedrige oder gar Negativzinsen an der Tagesordnung sind, suchen Investoren vermehrt das Investment in Alternativen, auch Sachanlagen. So sind seit einigen Jahren Spitzenweine mehr und mehr in den Fokus der Geldanlage gerückt, auch in Deutschland. Und wie die Preisentwicklung der letzten Jahre zeigt, kann Wein ein profitables Investment sein.

2020 ist nun ein ganz besonderer Jahrgang …

Ja, unter dem Aspekt des Sammelns oder des Investments ist 2020 sicher ein ganz beachtenswerter Jahrgang. Für viele Weinsammler sind auch die „magischen“ Nuller-Jahrgänge eine Attraktion, die mit dem Jahrgang 2000 begann und sich mit dem großen 2010er fortgesetzt hat. Auch im Hinblick auf die Qualität der Spitzenweine in Bordeaux, die – auch im Vergleich mit den letzten 20 Jahren – in der Champions League spielen. Das Klima, das auch in unserer hochtechnisierten Welt im Weinbau immer noch eine dominante Rolle spielt, hat es gut mit Bordeaux gemeint, gerade dort, wo das Terroir gestimmt hat – ein zweiter maßgeblicher Faktor.

Und dann war es das Jahr des Virus.

2020 war in vieler Hinsicht eine Achterbahnfahrt. Corona war das dominierende Thema in der öffentlichen Berichterstattung und im privaten Bereich aller Menschen. Es war aber auch ein Faktor, der auf die Weinproduktion und den Weinhandel maßgeblich Einfluss hatte, ganz besonders auf Bordeaux und die Subskriptionskampagne. Das begann bei den Winzern, die unter den schwierigen Bedingungen der Krise 2020 ihren Job machen mussten und gemacht haben. Reben zu kultivieren, sie zu schützen und alles zu tun, um gesunde und reife Trauben zu erhalten – das geht nun mal nicht im Home Office. Auch die personalintensive Lese der Trauben bereitete vielen Erzeugern Kopfschmerzen. Aber eine zusammenschweißende Solidarität, wo jeder mit anpackt, hat die Keller mit den kostbaren Trauben gefüllt. Im folgenden Frühjahr traf es dann die Weinhändler, denn die alljährliche Primeur-Woche in Bordeaux Anfang April, in der sich Tausende Händler aus aller Welt vor Ort ein Bild der Weine des neuen Jahrgangs machen, wurde nach langem Hin und Her abgesagt. Es ist dem Engagement der Châteaux und der Négociants in Bordeaux zu verdanken, dass wir reichlich mit Verkostungsmustern versorgt wurden, die wir in unserem Verkostungsraum mit dem Team probieren konnten. Damit werden sich viele Beteiligte noch viele Jahre an den Jahrgang 2020 erinnern, und ich bin davon überzeugt, dass der 2020er damit eine Sonderst llung hat und jede Flasche, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten geöffnet und genossen wird, diese Magie in sich tragen wird.

Das Jahr 2020 war auch klimatisch ungewöhnlich. Es war das dritte Jahr hintereinander mit sehr heißen Sommern. Sind die Bordeaux-Weine von heute noch die Weine, die wir lieben?

Der Klimawandel ist unumstritten auch im Weinbau angekommen. Im 20. Jahrhundert gab es in Bordeaux meist einen oder zwei sehr gute Jahrgänge in der Dekade, mehrere gute und mittelmäßige und ein paar schwierige und schlechte. Auch waren das Know-how und die Ausstattung der Erzeuger nicht auf dem Stand des 21. Jahrhunderts, sodass die Jahrgangsunterschiede der erzeugten Weine sehr hoch waren. Heute haben sich der Stil der Weine und der Geschmack sowie die Anforderungen der Weinliebhaber geändert. Weine, wie sie im letzten Jahrhundert in schlechten Jahren die Regel waren, gibt es nicht mehr. Was auf den Châteaux auf die Flasche gefüllt wird, erinnert heute schon in einem „normalen“ Jahrgang eher an die großen Jahrgänge von früher, vereinfacht gesagt. Bei den Rotweinen sind dies körperreiche, farbintensive und komplexe Weine, die in der Regel früher trinkreif sind und gleichzeitig ein großes Reifepotenzial besitzen. Auch der Einfluss der internationalen Weinkritiker und die schnelle Kommunikation der Weinbeschreibungen und -bewertungen hat die Erzeugung dieses Weinstils gefördert. Bemerkenswert bei den 2020ern ist dabei, dass sie bei aller Reife und Dichte auch über eine herrliche Frische verfügen, die den Weinen eine tolle Balance verleiht. Zu verdanken ist dies den Temperaturdifferenzen zwischen Tag und Nacht, die in der letzten Reifephase der Trauben und während der Lese vorherrschten. Fazit: Ja, der Stil hat sich geändert, aber die Qualität der Weine in Bordeaux war noch nie so hoch wie heute.

Die Preise sind trotz der kleinen Ernte wieder etwas günstiger als vor ein paar Jahren, aber dennoch recht hoch. Würden Sie trotzdem die Subskription empfehlen?

Aufgrund der vorgenannten Umstände (Nullerjahr, Spitzenweine, Jahr der Emotionen) ist der 2020er Bordeaux im Bereich der Top-Châteaux auch auf lange Sicht ein gesuchter Jahrgang. Aufgrund der Krisensituation durch Corona hat sich das Preisniveau deutlich verringert und die gewohnte traditionelle Preisbildung (Preis folgt der Qualität) ist seit letztem Jahr gestoppt. Wenn sich dieser Trend für den 2020er fortsetzt – und danach sieht es im Moment aus – ist der Kauf in der Subskription eine klare Empfehlung. Denn dies ist ein einmaliger Zeitpunkt: nämlich der, an dem die Preise generell die niedrigsten sind, quasi der „Startpreis“. Danach geht’s nur noch bergauf. Ich spreche hier über die Top-Châteaux in Bordeaux, dies sind vielleicht 100 bis 150 Weine. Schließlich gibt es in Bordeaux ungefähr 8500 Winzer und ca. 16000 verschiedene Weine, davon etwa 11000 Château-Weine. Es ist also eine sehr kleine Spitze einer sehr großen Pyramide. Auch für Weinliebhaber, die Weine suchen, die sie über die Jahre hinweg mit großer Freude genießen möchten, bietet der 2020 ein Füllhorn von Weinen, die keinen spekulativen Hintergrund haben. Aber die sind meist auch in der Subskription am günstigsten, wenngleich es in diesem Bereich kaum Wertsteigerungspotenzial gibt.

Was für eine Einkaufsstrategie empfehlen Sie?

Für Anleger empfehle ich die Fokussierung auf die Blue Chips in Bordeaux, die über viele Jahrzehnte verlässlich für Top-Qualität bürgen. Der Kauf zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist unabdingbar, das ist die Subskription. Der Kauf sollte ausschließlich in original Gebinden erfolgen (meist 12er oder 6er Schlosskisten), Einzelflaschen sind später auf dem sekundären Markt weniger gefragt, erzielen nicht die Preise der Weine in OHK. Großformate sind vorteilhaft: Sie sind seltener, verfügen über ein (noch) größeres Reifepotenzial, und es gibt sie oft in EinzelHolzkisten. Große Formate, wie die sechs Liter fassende Imperial, sind Raritäten, die produzierten Stückzahlen stellen nur einen winzigen Teil der abgefüllten Menge dar. Mit dem Kauf in der Subskription können Sie Ihre Wunschformate in Auftrag geben. Denn die Weine werden ja erst im Jahr nach der Subskription auf die Flasche gefüllt. Ein Gespräch mit dem Weinhändler Ihres Vertrauens ist auch aus diesem Grund gut investierte Zeit.

Haben Sie Lieblingsweine oder eine bevorzugte Region?

Mich hat bei der Verkostung der 2020er beeindruckt, dass viele Regionen ihre Meriten haben und der Weinliebhaber eine Vielzahl von Weinen finden wird, die seinen jeweiligen Vorlieben entsprechen. Am rechten Ufer begeistern besonders Saint-Émilion und Pomerol mit ihrer verschwenderischen Frucht und Sinnlichkeit, wobei die Châteaux auf dem Kalkplateau mit einer genialen Frische und Spannung aufwarten. Hier sollte man die besten Weine der angrenzenden Gebiete, z. B. Castillon und Fronsac nicht vergessen, die werden gerne unterschätzt. Am linken Ufer, im Médoc, sind die Appellationen ungemein klar zu unterscheiden: von den kraftvollen und würzigen SaintEstèphe und Pauillac im Norden bis zu den feinen und delikaten Margaux; und Saint-Julien vereinigt in unnachahmlicher Weise beide Welten. Es gibt auch Entdeckungen in den kleineren Appellationen des Médoc, die rundum empfehlenswert sind.

Durch das Internet sind alle Preise transparent und vergleichbar geworden. Warum sollte man bei einem klassischen Händler kaufen?

Ein Unternehmen, das seit 343 Jahren ununterbrochen erfolgreich am Markt tätig ist, dürfte nicht nur im Weinhandel einmalig sein. Dazu gehören u. a. Solidität, Seriosität, Zielstrebigkeit und Verlässlichkeit. Diese Tugenden sind beim Kauf in der Subskription besonders ausschlaggebende Faktoren. Schließlich vertraut der Kunde seinem Händler eine mitunter sehr große Summe seines Geldes an und erhält erst 24 Monate später die bezahlte Leistung. Das würde ich nur einem finanziell soliden und vertrauenswürdigen Geschäftspartner machen, gerade in diesen Zeiten. Im Übrigen sind wir nicht teurer als unsere Kollegen, bieten aber gleichzeitig Service und Sicherheit. Beim Zusammenbruch der Weinhandelsplattform 1855.com haben Tausende Bordeaux-Käufer ihr Geld verloren. Auch hat sich die Zahl der gefälschten Weinshops während der CoronaPandemie verdoppelt. Deshalb sollten Sie sich auf einen sicheren Partner verlassen.