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Premiere der Großen Gewächse 2021 in Wiesbaden

Ein Bericht von Tesdorpfs Wine Ambassador Oliver Hauser von der VDP-Jubiläumsfeier »20 Jahre Großes Gewächs« in Wiesbaden.

Veröffentlicht am 02. September 2022

Der VDP feiert 20 Jahre Großes Gewächs und ich, Oliver Hauser, bin als frischer Einkäufer für das Hause Tesdorpf dabei. Zum ersten Mal darf ich der Premiere der Großen Gewächse in Wiesbaden beiwohnen und das Beste verkosten, was Deutschland zu bieten hat.

Es ist eine großartige Location hier im Kurhaussaal Wiesbaden, und die Veranstaltung ist durchdekliniert vom Feinsten. So soll ab jetzt jede meiner Weinproben organisiert sein. Die Platzzahl ist begrenzt, und ich fühle mich geehrt nebst den ganzen Master Sommelièren, Master of Wines, Weinkritikern, Einkäuferinnen, Bloggern und Influencern im Hauptsaal des Kurhauses sitzen zu dürfen. Das Wetter ist genial, Sonnenschein den ganzen Tag, und die schönen geschliffenen Glasperlen Vorhänge werfen ein Glitzern und einen Hauch von Prunk auf meinen Verkostungstisch. Die ideale Bühne, für das was mir hier geboten wird.

Natürlich bin ich nicht nur aus Spaß hier, das Programm ist straff. Beinahe 500 Weine dürfen verkostet, und bewertet werden. Ich bin gespannt auf den neuen Jahrgang, - aber auch finde ich es großartig, dass ich hier einen Querschnitt des Landes serviert bekomme, - eine vinophile Reise durch eines der spannendsten Weinbaugebiete der alten Welt. Es ist Geschichte, die sich hier ins Glas ergießt.

»Wie beim Roquefort müsst ihr es machen.«- Genau das empfahl kein geringerer als Hugh Johnson selbst, dem VDP, damals vor über 20 Jahren, als sich dieser anschickte sich selbst wieder auf das Parkett der großen Weine der Welt zu katapultieren. Die Vision: eine klar skizzierte und Konsequente Umsetzung einer Herkunftsbezeichnung für deutsche Weine. Roquefort war die erste »Appellation«, die vorschrieb in welchem Gebiet, von welchen Schafen, in welcher Höhle, und wie lange gereift ein »Käse« sich schließlich Roquefort nennen darf. Diese Abgrenzung verhalf dem edelschimmligen Produkt schließlich zu Weltruhm. Alles andere (Cheddar, z.B.) sei bloß »Käse« – so Hugh Johnson schmunzelnd.

Der VDP ehrt am Vor-Abend der Premiere der Großen Gewächse in Wiesbaden mit einem sehr schön gemachten Imagefilm die Gründungsriege und Mitglieder des VDP, sein 20-jähriges Bestehen, und gibt Einblicke in die Entstehung der heutigen 4-stufigen Lagenklassifikationspyramide Gutswein, Ortswein, Erste Lage und Große Lage. Es ist eine Hommage, und ein berührendes Dokument an ein neu gestiegenes Selbstvertrauen des Verbandes, der nach herben historischen Tiefschlägen, praktisch vor dem Aus stand. Die VDP-Ehrennadel wurde posthum an Bernhard Breuer verliehen, der einer der konsequentesten Verfechter der strikten Umsetzung der Klassifikation war. Theresa Breuer fand berührende Worte des Dankes, und wünschte sich einfach, ihr Vater würde hier stehen und dies miterleben können.

Wie Phönix aus der Asche, - oder aus der Roquefort Höhle, aufersteht eine neue Ära deutscher Wein. Trockener Wein, versteht sich. Die Gäste des Abends dürfen nicht nur Filme schauen, sondern auch Verkosten. Über 20 Jahrgänge stehen bereit und werden in einem kleinen Speed-Tasting von Winzern, mit Winzern, für das Fachpublikum präsentiert. Danach geht’s dann doch auch wieder etwas süßer weiter, und es wird mit »Kabi« bis tief in die Nacht hinein gefeiert. Es ist ein gelungener Auftakt zum wichtigsten Event des Jahres für den deutschen Wein, - die Premiere der Großen Gewächse 2021. Danke VDP!

Silvaner

Am ersten Tag der drei Verkostungstage kann alles Verkostet werden, außer Riesling. Ich starte in Franken, denn: Silvaner ist eine meiner Lieblingsrebsorten. Und umso spannender finde ich, was dort passiert. Es gibt eine breite Vielfalt an Stilen, manche kommen noch gewohnt klassisch daher, etwas breiter im Auftritt und mit einer frischen grasigen, jedoch auch leicht herben Säure – und andere hauen einen regelrecht aus den Schuhen mit ihrer Gradlinigkeit und Mineralität, der fein ausgearbeiteten Gelbfruchtigkeit und ihrem feinen Schmelz.

Bickel-Stumpf

Ein weiteres Highlight ist mit ihrem 2020er Mönchshof: Reduzierte, aber komplexe Nase. Von allem ist da, aber alles ist feiner, zurückhaltender. Wow, wieder diese Straffheit am Gaumen, diese austrocknende Salzigkeit und leichte Schärfe, unterlegt mit sanfter Honig-Note, viel Apfelfrucht und frische - großartige Länge, viel Potenzial.

Rudolf May

Aber der Großmeister ist schlicht und weg Rudolf May. Sein 2021er Rothlauf ist sensationell: Er kommt mit feiner, subtiler Steinfrucht in die Nase, und öffnet sich zunehmend, geht von weißem Pfirsich in reifen Apfel über. Kommt opulent am Gaumen an, bringt ein goldenes Leuchten mit. Ist dicht, hat irre Zug, bleibt aber stets frisch und dezent fruchtig im Vordergrund. dahinter schiebt eine salzige Mineralität unentwegt einem großen Finale entgegen. Der Wein wird immer komplexer je mehr länge er gewinnt. irre was da nach hinten noch abgeht.

Weißburgunder

Ökonomierat Rebholz

Weißburgunder fand ich nicht so stark, im Gegensatz zu den Grauburgundern, aber erwähnenswert sind hier auf jeden Fall Im Sonnenschein 2021 der Gebrüder Rebholz. Schöne Nase, gelbfruchtiges Bouquet aus Pfirsich mit etwas exotik im Spiel. Eine feine Mineralik klingt an, die sich am Gaumen gleich fortsetzt und die Hauptrolle einnimmt. Gepaart mit einem feinen Gerbstoff bietet sie die Plattform, um die sanften Töne der Reineclauden und Hibiskus Blüten einzubetten.
Oder ihr Birkweiler Mandelberg 2021: Der Mandelberg dagegen kommt expressiver, mit mehr exotik und deutlich laktischeren Komponenten daher. Am Gaumen ebenfalls mehr Wumms, die Säure ist noch sehr frisch grün und nicht so eingebunden, bringt deutlich mehr Grasigkeit ins Spiel, wirkt dadurch aber weniger elegant als Sonnenschein. Weniger Mineralik.

Riesling

Fritz Haag

Richtig gut gefällt mir dann Fritz Haag mit seinem Brauneberger Juffer 2021: Mittelausgeprägte Nase mit einer feinen Aromen Vielfalt, subtil aufeinander abgestimmt. Da ist viel Rosmarin drin, etwas Oregano, ein Kräutergarten und mittendrin steht ein Zitronenbaum. Es ist Sommer, die Blumen ringsum blühen. Am Gaumen wird er straff, zieht an, ich beiße in eine Limette, bleibe an der Schale hängen. Merke den Gerbstoff über den Zähnen, das Wasser läuft, - über Kieselsteine. Mineralität wäscht sich heraus. Lang, und groß.

Thomas Haag

Aber auch Thomas Haag hat großes herausgebracht mit seinem 2021 Schloss Lieser Niederberger Helden: „Peachy Grapefruit“, viel flintiness. Viel Saft, viel Konzentration, große Länge und großes Potenzial. Hier wird was in Form gepresst. Braucht Zeit, will Zeit und muss sich entfalten. Wahnsinns Stoff.

Emrich Schönleber

Monzinger Halenberg 2021 z. B. ist einer dieser Vertreter: Die Nase ist ganz fein und vielschichtig. Da schwingt vieles mit, - und man muss vorschichtig die einzelnen Schichten abschälen. Wie beim Schälen einer Grapefruit beim Aufbrechen der Schale die ersten ätherischen Düfte freigesetzt werden, man ins Fruchtfleisch beißt und anschließend den Schalengeruch an den Händen hat - zu guter Letzt noch ein Fishermans Friend obendrauf, und ihr seid ungefähr dort angekommen, wo ich euch haben will. Und wir haben noch nicht getrunken. Aber keine Angst, das gleiche setzt sich ungefähr in 10er Potenz am Gaumen fort - ein toller Wein - auch wenn er im Abgang leicht exotisch auseinandergeht.

Dönnhoff

Dönnhoffs Niederhäuser Hermannshöhle 2021 klingt dann etwa so: Kristallklares Apfel Eis und Wassermelonen Bonbon. Wow, ist das konzentriert und Frisch, es rollt einen fast das Zahnfleisch hoch. Kühle Grapefruit mit etwas Ingwer und Wachs, glasklare Säure wie eine gefrorene Scheibe. Großes Kino.
Oder auch das 2021er Dellchen kommt etwas wärmer daher, hat mehr exotik in der Nase. Etwas Banane, Sahnebonbon und frischen weißen Pfirsich. Am Gaumen dann wieder dieser schlanke, elegante Zug. Eine rauchige, granitene Ader durchzieht etwas Grapefruitschale, Nelken schwingen mit, der Abgang ist lang und gradlinig.

Kühling-Gillot

In Rheinhessen gefällt mir sehr gut die Kollektion von Battenfeld-Spanier und Kühling-Gillot. Caroline Spanier macht den Anfang mit ihrem Niersteiner Hipping 2021: Etwas krautige Basilikum Nase, am Gaumen dann aber straff mineralisch, leichtfüßig elegant, ohne an druck zu verlieren, hat eine schöne, durch herbe Noten zusammengehaltene Frucht und mit leicht wärmendem Abgang. Pettenthal und Ölberg sind ebenfalls groß von ihr.

Reichsrat von Buhl

In der Pfalz fand ich von Buhls Kollektion sehr überraschend. Zum Beispiel der 2021er Forster Pechstein: Großartige kühle Nase, creamy gelbe Frucht, toller Zug am Gaumen und sehr zugänglich gemacht. Macht Spaß und hat schon jetzt einen großartigen Trinkspaß.
Aber auch der Jesuitengarten aus gleichem Jahrgang ist schön: Wachs-artige gelbfruchtige Nase, Voll am Gaumen, deutliches Bienenwachs und etwas Zwetschge. Toller Stoff.

Christmann

Idig 2021 ist wahrlich groß geworden: Ein zurückhaltendes, etwas alkoholisches Bouquet nach reifen Reineclauden und einer Salzigkeit, die einen direkt in der Nase kitzelt. Dahinter geht’s weiter mit leicht grasig frischen Tönen. Am Gaumen bleibt er in schöner Spannung harren, balanciert die saftige Säure gekonnt zwischen einem dezenten Gerbstoff und feiner Ingwerschärfe, rollt nochmals zurück über die frisch gemähte Wiese und bewegt sich erneut wieder einem steinig salzigen Finale entgegen. Toller Wein.

Ökonomierat Rebholz

Und natürlich habe ich mich über Rebholz‘ Birkweiler Kastanienbusch 2021 gefreut, der das Ganze mit 97 Punkten abrundet: Eine kühle gelbe Steinfrucht kommt aus dem Glas, gepaart mit feiner Mineralik. Am Gaumen dann satt und straff angezogen mit kühlem grünem Apfel, einer Säure die alles in Zaum hält. Nichts bricht auseinander, kompakt, man spürt richtig den Sandstein der einen den Mund auskleidet, trocken fein gehts ins Finale. großer Wein.

Fazit

Mit 241 verkosteten Weinen in drei Tagen komme ich zwar nur knapp über die Hälfte des gesamten Angebotes, aber es hätte schneller nicht gehen dürfen. Und auch wenn ich mein Resümee in so kurzer Zeit verfassen musste, - viele Weine sind erst wenige Wochen auf der Flasche und benötigen ihre Ruhezeit und den richtigen Rahmen und sie zu öffnen und würdevoll zu genießen. Denn sie alle sind groß, und haben es in die Riege der Großen Gewächse geschafft.

Meine persönlichen Favoriten

Silvaner :
2021 Thüngersheimer Rothlauf von Rudolf May

Riesling :
2021 Idig von Christmann
2021 Kastanienbusch von Ökonomierat Rebholz
2021 Monzinger Halenberg von Emrich-Schönleber