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Die eigene Welt der Weinmessen

Als Einkäufer eines traditionellen Weinhändlers wie Carl Tesdorpf hat man sehr gute und enge Bindungen zu jenen Winzern, die schon lange mit dem Haus verbunden sind.

Veröffentlicht am 26. März 2018

Man besucht sie vor Ort, und sie kommen ab und zu nach Lübeck. Doch wir sind natürlich immer auch auf der Suche nach neuen Weinen, Trends und Weingütern, die es zu entdecken gilt. Manchmal werden wir direkt in den Weinregionen fündig, häufig jedoch auch auf Weinmessen. Von denen gibt es gleich mehrere im Jahr. Allein 2018 findet im April die Vinitaly in Verona statt, dazu die London Wine Fair, die Vievinum in Wien und – als erste im Jahr – die Prowein in Düsseldorf.

 

PROWEIN, DIE GRÖSSTE WEINMESSE DER WEL

Die Prowein bricht seit ihrer Gründung im Jahr 1994 alle Rekorde. In diesem Jahr haben sich 6.870 Aussteller aus 64 Ländern mit mehr als 60.000 Fachbesuchern aus 133 Ländern den Platz in 18 Hallen geteilt. Und auch wenn die Messe drei Tage dauert, gibt es mittlerweile so viele Veranstaltungen drum herum, dass man am besten schon einen Tag früher anreist, nämlich bereits samstags, und nach Toresschluss um 19 Uhr noch ein paar weitere Veranstaltungen in der Düsseldorfer Innenstadt besucht. Die Prowein, von der wir gerade zurückgekehrt sind, hat sich im Laufe der Jahre als wichtigste Weinmesse etabliert. Andere früher führende Messen, wie die alle zwei Jahre in Bordeaux stattfindende Vinexpo, sind mittlerweile weit abgeschlagen. In Düsseldorf trifft sich die Welt, die Messe findet jedes Jahr statt, man erreicht die Messe sehr gut – auch wenn die S-Bahnen morgens natürlich gerammelt voll sind – und das Wichtigste ist: Sie ist sehr gut organisiert, auch wenn es am WLAN- und Telefonnetz sowie an einer guten Verpflegung bis heute mangelt.

 

DAS WICHTIGSTE: DER TERMINPLAN

Wer der Meinung ist, dass der Job eines Einkäufers ein romantischer sei, der hat sich noch nie drei Tage lang durch volle Messegänge bewegt. Diese Tage sind dicht vollgepackt mit Terminen, die man tunlichst vorher alle ausgemacht und bestätigt haben sollte. Auf der Messe ist jeder busy und es bleibt nie viel Zeit. Man geht Kilometer um Kilometer, um die weit verstreut liegenden Partner zu treffen, und zudem trifft man auf dem Weg immer wieder Freunde oder Kollegen, denen man eine Minute widmen möchte. Während das Weintrinken für den Genießer abends eine Freude darstellt, ist das tagelange Probieren eine echte Herausforderung, vor der man sich aber nicht drücken kann. Schließlich werden auf der Prowein Weine ausgesucht, Cuvées abgestimmt und mit den Winzern besprochen.

 

»Pierre und ich hatten einen äußerst spannenden Termin mit Philipp Wittmann. Wir haben den sehr balancierten, feinen Jahrgang 2017 verkostet und dabei eine sehr spannende Idee für ein Angebot im kommenden Jahr mit ihm geplant.« berichtet Annie Höger, Einkäuferin und Fine Wine Managerin.

 


Unser Geschäftsführer Pierre Enjalbert mit Philipp Wittmann vom gleichnamigen Spitzenweingut.

 

Unser Einkaufsleiter und Fine Wine Manager Heiko Schimeczek war bei Château Musar aus dem Libanon zu Besuch: »Ein Highlight war für mich definitiv das Château Musar – die Weine werden mit jedem Jahr besser und können mit großen Bordeaux konkurrieren. Wir konnten am Stand den Jahrgang 1974 probieren – immer noch super jung mit Reifepotential. Einfach nur WOW!«

 


Heiko Schimeczek im Gespräch mit Marc Hochar vom Weingut Château Musar.

 

DIE MESSE KANN AUCH WEITERBILDUNG SEIN

Doch die Termine mit den Partnern sind bei weitem nicht das Einzige, was auf der Agenda steht. Schließlich will man Neues entdecken, Hallen besuchen, in denen man vorher nie gewesen ist und an Verkostungen teilnehmen, bei denen Winzer, Regionen oder Anbauverbände ihre Weine vorstellen. Da landet man dann beispielsweise bei der Verkostung gereifter Portweine aus dem Dourotal, probiert Weine seltener Rebsorten, von denen es nur noch wenige Hektar gibt, und schaut und probiert, wer die ersten Preise beim größten Sauvignon-blanc-Wettbewerb weltweit gewonnen hat. Schon am Tag vor der offiziellen Eröffnung stellt der Gambero Rosso, der italienische Weinführer, traditionell eine Auswahl der bestbewerteten italienischen Weine vor, während sich anderswo biodynamische Winzer gemeinsam zur Präsentation treffen. Fast nebenbei präsentieren sich montags die Grand-Cru-Classé-Weingüter aus Bordeaux und zeigen den aktuellen frisch abgefüllten Jahrgang. Allein dort könnte man Stunden probieren und hätte danach schmerzende Zahnhälse. Denn die Weine sind gerade frisch abgefüllt und strotzen nur so vor frischer Säure und Gerbstoffen.

»Eines meiner Highlights war die Probe der Union des Grands Crus de Bordeaux mit über 100 Weinen des großen Jahrgangs 2015, der zurzeit an den Handel ausgeliefert wird. Dieser exzellente Jahrgang bietet ein Füllhorn von Weinen mit hohem Genusswert.« erzählt Werner Rieß, Fine Wine Manager und Einkäufer.

 

Auch Henrik Maaß (ebenfalls Einkäufer und Fine Wine Manager) hat den ein oder anderen Schatz entdecken können: »Bruno Paillard macht einen beeindruckenden sowie erstaunlichen Champagner. Als einer der jüngsten Champagnerhäuser macht er einen Champagner nach seinem Geschmack – pur, frisch, leicht, seidig und unglaublich elegant!«


Beim Champagnerhaus Bruno Paillard ist tatsächlich der Inhaber Monsieur Bruno Paillard für Qualität und Produktion verantwortlich.

DER EXTREMSPORT DES WEINHÄNDLERS

Weinmessen sind ein ganz eigener Kosmos. Es gibt kaum intensivere Tage als die drei Messetage der Prowein, die man abends normalerweise noch mit engen Lieferanten verbringt. Manch einer nimmt sich nach einer solchen Messe erst einmal einen Tag Verschnaufpause und trinkt nichts außer Wasser und Tee. Wenn sich die Geschmacksnerven beruhigt, sich die Füße entspannt haben und das Klingen in den Ohren aufhört, hat man noch einige Tage zu tun, um all die Abmachungen zu sortieren, die man getroffen hat, und all die Weine Revue passieren zu lassen, mit denen man sich dringend mal näher beschäftigen möchte. Die Prowein ist der Extremsport des Weinhändlers – doch den möchten wir auf keinen Fall missen.