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Von Künstlern, Lehrern und Geniessern

20 Jahre nach dem Kunststudium die Weinkarte schreiben!

Veröffentlicht am 12. Dezember 2018

Überall duftet es nach Essen

Ein Atelierbesuch, ein feinperliger Aperitif und ein erster wirklich hervorragender Wein, quasi parallel zum Kochen – der künstlerisch begonnene Abend bei Barbara Tucholski  geht in den geselligen Teil über. Menschen, die sich 20 Jahre lang nicht gesehen haben. Die allesamt 20 Jahre älter sind, die als Studenten auseinander gingen und heute als Erwachsene mittleren Alters wieder zusammentreffen. Irgendwie ist es genau wie damals. Diejenigen, die im Studium schon nicht alle Nudeln im Sieb hatten sind auch heute noch ein bisschen irre, die Stillen sind still und die Geschwätzigen sind laut. Jeder hat seine Geschichten zu erzählen, und alle möchten kreuz und quer über die lange Tafel diese Geschichten hören. Barbara ist ruhiger geworden. Auch sie ist 20 Jahre älter, und sie beobachtet das treiben in ihren eigenen vier Wänden genauso neugierig und aufmerksam, wie sie ihre Umwelt beobachtet, wenn sie malt. Was mögen ihre Gedanken sein? Das konnte ich schon damals nicht ergründen. In der rustikalen Küche knistert die Pasta und brodelt die Brühe, in der das Pollo gart. Was für ein Duft. Man möchte eigentlich sofort raus und malen.
 

Mach doch mal eine Weinkarte!

Während alle Anwesenden sich beschnuppern, neu kennen lernen und ausgelassen die letzten 20 Jahre aufarbeiten sitzt meine ehemalige Professorin für einen Moment in einem Nebenraum an einem Holztisch und zieht an ihrer Pfeife. Ein Moment der Ruhe. Auf meinen vorsichtig fragenden Blick nickt sie, und ich setze mich mit einer geöffneten Flasche Wein zu ihr. Mein Lieblingswein . Außerdem besitzt Sting ein Weingut nicht weit von dem Kloster, wo wir damals gemalt haben, und ich schenke uns zwei kleine Gläser ein. »Warum haben wir keine Weinkarte? Ein mehrgängiges Menü, aber keine Weinkarte. Jenso, erschaffe er eine!« Ich liste die Weine des Abends auf, die meine Kommilitonen und ich selbst mitgebracht haben. Erst handschriftlich, dann am Laptop der Künstlerin. Wir erstellen einen Menüplan mit leichten, weinbedingten Rechtschreibfehlern und legen ihn auf der gut gefüllten Tafel zwischen all diesen lieben Menschen aus. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Wer hat das einst gesagt? Ich weiß es nicht. Aber wir lassen es mit guten italienischen Weinen  definitiv entspannt angehen!

 

Ganz besonderere Menschen, ganz besondere Weine

Während über einen Beamer alte, digitalisierte Fotos auf die rau verputzte Wand geworfen werden unterhalten wir uns, lachen, trinken und weinen manchmal auch. Ich glaube, wer sich einst der Kunst hingab, der wird sein Leben lang ein emotionaler Mensch bleiben. Wie wundervoll da ein guter Wein reinpasst, nicht zuletzt weil die Chianti Weine  aus der Gegend kommen, in der wir damals gemalt haben. Leise Musik verziert die Szene unterschwellig, das Dessert ist nahezu perfekt und immer wieder wird sich die Frage gestellt, wie man einzelne Menschen damals nur übersehen konnte? Viele von meinen damaligen Kommilitonen sind Lehrer geworden. Einige waren und sind Künstler, einer ist ein Schamane und bei einer bin ich mir nicht sicher, ob ihre Augen denn nun grün oder braun sind? Immer diese Farben. Alles ist Farbe. Im Hintergrund hängt das Bild, was wir vor vielen Jahren alle gemeinsam gemalt haben. Heute malen wir virtuell ein neues Bild, auch wenn die meisten gegen Mitternacht nach Hause fahren. Einige bleiben hier und lassen den Abend wundervoll ausklingen. Salute, meine Freunde. Auf das Leben und die Liebe.