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Kunst und Wein - Das Atelier

Und so kommt zusammen, was zusammen gehört.

Veröffentlicht am 22. November 2018

ACH BITTE, KOMMEN SIE DOCH HEREIN

Wie halten Sie es mit der Kunst? Stehen Sie verträumt in einer Galerie und denken sich in die Farben und Formen der Bilder hinein? Reichen Ihnen die Seerosen von Monet über dem Sofa? Oder können Sie absolut nichts mit Malerei oder Zeichnung anfangen und fragen sich immer, warum da jemand Geld für ausgeben mag? Wenn Sie einmal nachdenken, finden Sie schon in diesen Aussagen viele Parallelen zum Wein. Auch mit Wein verbindet jeder Mensch etwas Anderes, es soll gar welche geben, die damit nichts am Hut haben. So vielfältig der Wein und seine Genießer, so beeindruckend ist die Kunst über die Jahrhunderte bis heute. Eine Person hat mein Kunstverständnis nachhaltig geprägt und vor über 20 Jahren meine Augen für Farben und Linien geöffnet. Barbara Camilla Tucholski, Malerin und Zeichnerin, lädt heute an die Ostsee nach Övelgönne in ihr Atelier. Ihre Studenten, die in den 90ern mit ihr in einem Kloster in Italien gemalt und studiert haben. Ich war einer davon.

Ein Blick in das Atelier von Barbara Camilla Tucholski, Malerin und Zeichnerin aus Övelgönne.

 

LICHT UND FARBE AUF UNGEZÄHLTEN WERKEN

Die Zeit läuft unerbittlich weiter. Immer weiter. Ist es wirklich schon über 20 Jahre her, dass wir alle im ehemaligen Kloster Sant‘ Anna in Camprena gemalt, gesungen, gegessen und getrunken haben? Dieser Ort in der Toskana wirkt einen Zauber auf jeden, der es zulässt. Für Barbara Tucholski ist er eine zweite Heimat geworden. In ihrem großen, lichtdurchfluteten Atelier ist es heute aber kalt. Der Herbst hat das Land gepackt, und die Räume in der Hofanlage lassen sich nicht heizen. Nun – das stört niemanden der rund 20 angereisten ehemaligen Studenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, denn der Empfang ist warm und überaus herzlich. Überall stehen, hängen oder liegen Bilder. Bilder auf Leinwand, auf Tapete, auf normalem Papier. Frau Tucholski, die nach so vielen Jahren endlich Barbara heißen darf, hat einen sagenhaften Schaffensdrang. Ihre seriellen Bilderzyklen betrachten dasselbe Motiv von verschiedenen Blickwinkeln oder zu verschiedenen Jahreszeiten. Sie erzählt von einem Platz hinter dem Grundstück, von dem aus sie über die Felder gucken kann. Momentan malt sie dort. Ihre ganzen Utensilien liegen da draußen rum, Tag und Nacht. Warum nicht? Einige Bilder sind noch nicht fertig. Oder doch? »Ich habe ein bisschen Angst, wenn ich hier den Himmel einfüge, dass es dann nicht mehr passt…« sagt sie. Und einige nicken.

 

VOM BRUNNEN DIREKT ZUM WEIN UND ZUM ESSEN

Und da ist er wieder, dieser runde Brunnen, der sich im Innenhof von Sant‘ Anna befindet. In dem Goldfische in grünem Wasser dümpeln und der mit einem Geländer umgeben ist. Auch ich habe ihn 1997 schon in vielen Varianten gemalt, Barbara Tucholski macht es noch immer. Und sie hat in ihrem eigenen Garten einen Kreis aus Pflanzen angelegt, der die exakten Maße des Brunnens abbildet. Wir stoßen an auf die Freundschaft und das Wiedersehen. Man kann seinen eigenen Atem hier oben sehen, und der Abend fängt erst an, also bewegt sich die Studentenschaft nach unten in die geheizten Gemächer. Jeder hat ein paar Weinflaschen mitgebracht, ich auch, und wir beginnen noch vor dem eigentlichen Essen mit einem ganz besonderen Tropfen. Der Casanuova di Nittardi Vigna Doghessa Chianti Classico passt in diese Runde wie der Brunnen von Sant‘ Anna in den Innenhof. Denn Fattoria Nittardi hat eine beeindruckende Historie, lebte doch im 16. Jahrhundert kein geringerer als Michelangelo Buonarrotti in dem Anwesen und sagte damals schon, dass ihm »zwei Weinfässer lieber wären als acht Hemden«. Der Etiketten dieses Chianti werden seit 1981 jedes Jahr von anderen Künstlern oder Persönlichkeiten gestaltet. Den von mir mitgebrachten 2015er Jahrgang hat der britische, in Italien lebende Pop Art Künstler Joe Tilson gestaltet und gleich noch ein Einschlagpapier mit entworfen. Was für eine Ehre, diesen wunderbaren Wein mit diesen wunderbaren Menschen zu trinken. Und der Abend fängt ja erst an.

 

Der Brunnen im Innenhof von Sant’ Anna, gemalt von Barbara Camilla Tucholski.