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Auf ein Glas mit Dr. Ernst Loosen

In unserer Reihe »Auf ein Glas« stellen wir Ihnen interessante Persönlichkeiten aus der Welt der Weine und Kulinarik vor. Heute kommt Dr. Ernst Loosen vom Weingut Dr. Loosen zu Wort.

Veröffentlicht am 24. März 2020

Bitte stellen dich zu Beginn kurz mit zwei Sätzen vor. 

Mein Name ist Ernst Friedrich Paul Maria Francois Loosen und ich führe seit 32 Jahre mit großer Passion das Weingut Dr. Loosen an der Mittelmosel. 

Mein Weg zum Wein war… 

„… sehr kurz und zugleich sehr lang. Ich bin in einem traditionellen Weingut aufgewachsen, in dem es familiär zuging. Die Weinproduktion war Teil meines Alltags seit ich mich erinnern kann. Wenn man als Kind in einem Weinbaubetrieb aufwächst, erlebt man alle täglich anfallenden Arbeiten des Betriebes schon früh ganz bewusst. So wuchs in mir die Leidenschaft zum Wein und gleichzeitig auch der Wunsch, Archäologie zu studieren. Aufgrund einer schweren Krankheit meines Vaters war ich gezwungen mich zu entscheiden und übernahm 1988 das elterliche Weingut. Aber von Anfang an war es klar für mich, dass ich es anders, aber vor allem besser machen wollte.

Was trinken Sie, wenn Sie keinen Wein trinken?

Ich komme viel rum in der Welt. In Japan habe ich großartige Grüne Tees kennengelernt, die ich seither sehr mag. Ein deutscher Bekannter hat in Vietnam als Berater eine sehr edle Schokoladen-Manufaktur mit aufgebaut. Deren Trinkschokolade mag ich sehr gerne.

Mein erster Wein, an den ich mich erinner kann, ist ...

Ein gereifter Riesling-Naturwein – das entspricht heute einem Kabinett. Den gab es immer sonntags zum Mittagessen, für uns Kinder aus winzigen Treveris-Weingläsern.

Mein Lieblingsessen ist ... und ich trinke gerne ...

Das Essen meiner Mutter und meiner Großmutter habe ich sehr geliebt. Ich koche heute noch gerne nach ihren Rezepten. Besonders gerne mochte ich ihren Hasenpfeffer und dazu eine schöne alte und gereifte Riesling Spät- oder Auslese von der Mosel. 

Als Aperitif wähle ich immer ...

Herrlich gereifte Champagner oder Sekte mit sehr langem Hefelager. Daher produzieren wir nur zum eigenen Konsum einen Lagensekt, der mindestens 25 Jahre auf der Hefe liegt. Aktuell trinken wir 1990 Graacher Himmelreich brut, der erst nach 25 Jahren Hefelager degorgiert wurde.

Das Beste nach einer Weinverkostung ist ...

Natürlich das Bier. Und weil wir bei uns viel verkosten, haben wir die Bierversorgung selbst übernommen. Unser Kellermeister Berni ist auch ein Bier-Fanatiker. Er braut ein wunderbares LoosenBräu Kellerbier, auf das sich nach einer langen Verkostung alle stürzen.

Mein schlimmster Weinmoment war ...

Ende der Neunzigerjahre (mit meinem Winzerkollegen und Freund Paul Fürst) in einer Weinbar in Ljubljana. Eine sehr attraktive Location in einer wunderschönen Stadt. Wir bestellten auf Empfehlung des Inhabers einen Wein, den man heute als ‚natural’ oder Orangewein bezeichnen würde. Das war die erste Erfahrung für mich mit solchen Weinen und ich empfand den Wein als extrem grenzwertig. Doch in den letzten Jahren wurde ich immer aufgeschlossener. Innerhalb dieser Kategorie gibt es durchaus sehr spannende Weine. Zusammen mit dem spanischen Winzer Telmo Rodriguez erzeugen wir seit 2015 einen Graacher Himmelreich Riesling, der uralte, traditionelle Produktionsverfahren meines Urgroßvaters mit Ideen der ‚natural’ Weinbereitung kombiniert. 

Mit diesem Menschen würde ich gerne mal einen Wein trinken:

Als Winzer habe ich das Privileg, vielen spannenden Menschen beim Wein zu begegnen. Eine schöne Flasche aufmachen würde ich gerne für den Publizisten Hendryk M. Broder. Ich mag seine erfrischend provokative Art, die bei aller Schärfe nie zynisch oder menschenverachtend ist. Mit genauem Blick seziert er Ideologien und Lebenslügen, in denen es sich Menschen bequem machen. Das ist sehr lehrreich und oft lustig. Broder, der als Journalist und Jude in Deutschland schon viel erlebt hat, ist immer noch neugierig auf die Welt und ihre Menschen. Das gefällt mir. Aber ob Hendryk M. Broder überhaupt Wein mag?

Mein letzter Schluck vor dem Weltuntergang sollte ... sein.

Die Welt geht unter, seit es sie gibt. Davon unbeeindruckt werde ich weiterhin nach Lust und Laune die besten Flaschen öffnen. Aber wenn die Welt so sanft und schön untergeht wie etwa in Lars von Triers Film „Melancholia“, dann würde ich vorher noch eine Flasche 1969 Chambertin von Armand Rousseau aufmachen.

Das hab ich aus alten Weinflaschen/Weinfässern selber gebaut/gebastelt:

Miesepetrigkeit, schlechte Laune, Verdrießlichkeit. Menschen, die nur das Haar in der Suppe, soll heißen, den Fehler im Wein suchen. Und speziell: Schokolade und Wein – das habe ich nie verstanden.

Das macht unseren Wein besonders:

Die Rückbesinnung auf alte Traditionen, als deutscher Wein und speziell Mosel-Riesling zu den gefragtesten Weinen der Welt zählte. Es war eine Zeit, in der Weinmacher mehr ihrer Intuition und Erfahrung vertrauten als Technik und Chemie und so legendäre, sehr langlebige Weine schufen. Wir produzieren wieder Rieslinge nach Uhrgroßväterchens Tradition und lassen unsere Rieslinge zum Beispiel lange (von 1 – 8 Jahren) im Fass auf der Vollhefe reifen und verzichten auf alles, was nicht in den Wein gehört.