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Auf ein Glas mit Barbara Widmer

In unserer Reihe »Auf ein Glas« stellen wir Ihnen interessante Persönlichkeiten aus der Welt der Weine und Kulinarik vor. Heute kommt Barbara Widmer vom Weingut Brancaia zu Wort.

Veröffentlicht am 06. Januar 2021

Bitte stellen Sie sich zu Beginn kurz mit zwei Sätzen vor. 

Ich heiße Barbara Widmer und bin in Zürich aufgewachsen. Seit 1989 lebe ich in der Toskana, wo ich bei Brancaia als Önologin und CEO tätig bin. Das Weingut ist seit 1981 im Besitz meiner Familie.

Mein Weg zum Wein war…

Ich bin in einer Familie groß geworden, in welcher gemeinsam kochen und genussvoll Essen sehr wichtig sind. Somit war Essen und der damit verbundene Genuss von schönen Weinen immer schon ein wichtiger Teil unseres Familienlebens. Mit dem Erwerb des Weingutes Brancaia wurde dies sicherlich noch verstärkt. Trotzdem war Brancaia für mich bis Anfang der 90iger Jahre in erster Linie ein Urlaubshaus. Als junge Frau, die eben angefangen hat das Leben in einer Stadt zu genießen, konnte ich mir zunächst ein Leben in der ländlichen Toskana kaum vorstellen.
Entsprechend entschloss ich mich nach dem Abitur, Architektur zu studieren. Nach 4 Semestern hatte ich eine kreative Krise und zog mich für zwei Monate auf das familieneigene Weingut in der Toskana zurück. Ein Aufenthalt, der meine Einstellung zur Toskana und zu Wein nachhaltig verändert hat. Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich eine Weinernte – ein Ereignis, das mich bis heute fasziniert. Die anfänglichen Bedenken, wie man sich jeden Tag mit Wein auseinandersetzten kann, verflogen schnell.  Meine Leidenschaft für den Wein war endgültig entflammt. Ich kehrte nach Zürich zurück und absolvierte das Weinhändlerdiplom. Anschließend begann ich ein einjähriges Praktikum auf Domaine des Balisiers in Genf. Domaine des Balisiers war damals mit rund 25 ha der größte biologische Weinbetrieb in der Schweiz. Eine Erfahrung, die mir klar aufzeigte, dass der ökologische Weinbau der richtige Weg ist. Ich arbeitete sechs Monate im Weinberg und sechs Monate im Keller. Nach dem Abschluss meines Oenologiestudiums an der Fachhochschule zog ich in die Toskana und übernahm die Geschäftsführung unserer Weinbetriebe. 

Wir gratulieren zu 40 Jahren Brancaia. Wie blicken Sie auf diese 40 Jahre zurück und was waren die prägendsten und schönsten Momente für Sie?

1986 mit dem dritten Jahrgang, 1983, belegte Brancaia überraschend den ersten Platz bei einer großen Chianti-Classico-Degustation der Zeitschrift Vinum.
1988 Erster Il Blu Jahrgang & Kreation unseres heutigen legendären Etiketts
1989 Kauf des 2ten Weingutes in Radda in Chianti
1994 zum ersten Mal „3 Bicchieri“ vom Gambero Rosso (in der zwischen Zeit 18)
1996 Rebberg ganzjährlich begrünt
1998 Barbara übernimmt die Betriebe und Kauf des Weingutes in der Maremma
2000 Brancaia Tre wird zum ersten Mal produziert
2002 Ilatraia wird zum ersten Mal produziert
2006 N°9 of top 100 Wine Spectator mit Il Blu 2004
2009 N°10 of top 100 Wine Spectator mit Tre 2007, erster Jahrgang von Il Bianco
2012 erstmals ausschliesslich spontane Vergärung
2013 erster Jahrgang von Chianti Classico
2014 erster Jahrgang Rosé
2015 Einsatz von jeglichen Herbiziden und Pestiziden wird vollständig eingestellt, erster Jahrgang Maremma Toscana DOCG
2019 Brancaia ist offiziell ein Bio-Betrieb, Eröffnung der Brancaia Osteria
2020 erster Jahrgang von unserem Spumante Stella

Je mehr wir die Natur respektieren und mit ihr im Einklang sind umso besser und authentischer kann die Traube ausreifen. Das ökologischer Weinbau und Qualitätsweinbau dasselbe sind, war eines der schönsten Erkenntnisse in meinem bisherigen beruflichen Werdegang.
Privat hat unsere Familie dank meiner Eltern neben der Schweiz in der Toskana eine zweite Heimat gefunden, welche uns alle stark miteinander verbindet und hoffentlich auch den nächsten Generationen viel Freude bereitet.

Worauf freuen Sie sich in den kommenden Jahren?

Das Schöne am Wein ist, dass jedes Jahr wieder etwas Neues bringt. Man lernt nie aus, hat aber immer mehr Erfahrung, auf die man zurückgreifen kann. Diese Kombination garantiert, dass es immer spannend bleibt.

Was macht die Weinregion Toskana so besonders?

Es gibt nur wenige andere Weinregionen auf dieser Welt, welche so viele Top Weine erzeugen wie die Toskana. Dies hat sicherlich mit der geografischen Position und den Böden zu tun. Die Diversität der Weine werden durch die Hügellandschaft und dem damit verbundenen Mikroklima ebenfalls sehr positiv beeinflusst. Und dann gibt es da den Sangiovese, die Toskanische Traube schlechthin. 

Wie wir alle wissen können Top-Wein nur aus Top-Trauben gekeltert werden. Jede perfekt ausgereifte Frucht widerspiegelt das Terroir, auf dem sie gewachsen ist. Daher finde ich es auch toll und spannend, mit „internationalen Traubensorten“ zu arbeiten. Die Typizität findet man im einen wie auch im andern. Der grosse Unterschied ist, dass es fast aus jedem Weinbaugebiet der Welt ausgewöhnlich Cabernets und Merlots gibt, es aber wahrscheinlich nur in der Toskana möglich ist, Sangiovese auf Top-Niveau zu produzieren.

Dieser Tatsache sollte man sich bewusst sein und sie mit Verstand und Herz umsetzten.

Warum ist der Chianti Classico Riserva 2015 der perfekte Wein um das 40 jährige Jubiläum zu feiern? Und welche Speise empfehlen Sie zu diesem Wein?

Der Chianti Classico Riserva ist der perfekte Jubiläumswein, weil er die perfekte Vereinigung von Tradition und Innovation ist. 

Chianti Classico ist eine der ältesten Weinregionen der Welt. In einem Schriftstück von 1404 wird schon vom Chianti-Wein gesprochen. Seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts wurde der Name dann ein Begriff für Qualitätswein. Ende des 19. Jahrhunderts definierte Baron Bettino Ricasoli seine Chianti Rezeptur mit dem Sangiovese als Hauptrebsorte, Canaiolo Nero, Colorino und Malvasia. In den letzten 40 Jahren hat das Konsortium des Chianti Classico alles daran gesetzt die Qualität durch Innovation stetig zu steigern und so natürlich auch Brancaia. In den letzten Jahren wurde sehr viel Zeit und Arbeit in die Klonenforschung des Sangiovese investiert, die eine wirkliche schöne Selektion von Klonen hervorgebracht hat. Die Tendenz zu kleinbeerigen und ertragsarmen Klonen ist eindeutig.

Heute darf ein 100%iger Sangiovese Chianti Classico genannt werden, der Mindestanteil an Sangiovese ist 80%. 

Unsere Interpretation ist ein Cuvée aus 80% Sangiovese (7 verschiedene Klone) und 20% Merlot. Der Wein wird während 16 Monaten in französischen Eichfässern (1/2 neu) ausgebaut. Den Sangiovese im Tonneaux (500l) den Merlot im Barrique (225l).

Unser Chianti Classico wird nur aus den besten Sangiovese Trauben unserer Güter in Castellina und in Radda in Chianti gekeltert. Wir wollen in diesem Produkt das Potential der Traubensorte Sangiovese zeigen, sie voll ausschöpfen und so dem Weinliebhaber kompromisslos ein Spitzenprodukt aus dieser anspruchsvollen und terroirtypischen Rebe bieten. Der Jahrgang 2015 ist ein absolut fantastischer Jahrgang und damit der richtige Wein, um ein großes Jubiläum zu feiern.

Laut Monica Larner (Robert Parker) "Fasst die vielen verschiedenen Komponenten eines großartigen Chianti Classico zusammen und fasst sie alle in einer einzigen Flasche zusammen."

Unsere Riserva 2015 passt zu gegrilltem Fleisch, wie zu Pasta oder Reisgerichten. Einer meiner Lieblingskombination ist mit einem Steinpilz-Risotto.

Haben Sie eine Restaurantempfehlung in Ihrer Region?

Eines der vielen tollen Sachen in Italien ist, dass man fast nur gut essen kann. Lassen Sie sich in einer Dorfmetzgerei ein frisches Tartar zubereiten, genießen sie eine frische Holzofen Pizza, frische Pasta oder gönnen Sie sich einen Abend in einem schicken Restaurant. 

Falls Sie in unserer Nähe sind sollten Sie natürlich unsere Osteria auf dem Weingut ausprobieren. 

Mein schönster Weinmoment war...

Wein begleitet mich schon lange durch mein Leben und hat oft einen Augenblick noch spezieller und toller gemacht. Einen einzelnen Moment herauszupicken ist schwierig. 
Ich werde aber immer super emotional beim Öffnen und Genießen des IL Blu 1998, meinem ersten Jahrgang.

Mein erster Wein, an den ich mich erinnern kann, ist...

Durch meine Eltern konnte ich schon sehr früh viele tolle Weine verkosten. Es waren hauptsächlich Toskaner und Bordeaux. Demensprechend hatte ich eine ganz natürliche Liebe zu Sangiovese und zu eleganten Weinen. Ein sehr einschneidendes Erlebnis hatte ich 1997. Dies war natürlich nicht mein erster Wein, aber es war das erste Mal, dass ich ein 100%igen Petit Verdot verkosten konnte. Auf Abadia delle Retuerta, ein damals noch ganz neues Weingut in Spanien. Die Fassmuster-Verkostung war Liebe auf den ersten Schluck. Umso glücklicher bin ich heute, dass wir in der Maremma eine Weltklasse Petit Verdot vinifizieren können.

Welches ist der perfekte Wein für einen gemütlichen Abend vor dem Kamin?

Der „perfekte“ Wein ist nicht nur situations- sondern auch stimmungsabhängig, dementsprechend tue ich mich schwer hier einen konkreten Wein zu nennen. Ich liebe rote, weiße, mit oder ohne Kohlensäure, süße oder trockene Weine - Wein trinken soll immer auch Genuss sein, so dass man gerne ein zweites Glas trinken möchte. 

Wofür brennen Sie abseits des Weines?

Familie, Tiere, Architektur & Design, kochen & essen, malen, laufen, lesen, reisen

Wir können Sie so richtig entspannen?

Beim Malen respektive beim Designen von Gegenständen vergesse ich die Zeit.

Auf was könnten Sie in Ihrem Leben nicht verzichten?

Auf meine Kinder.


Hier finden Sie die Weine vom Weingut Brancaia in unserem Online-Shop.