Australien Masterclass

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Große Freiheit down under

War Ihnen bewusst, dass ganz Europa in Australien passt? Mit diesem beeindruckenden Bild eröffnete die Master of Wine Emma Symington die "Australia Wine" Masterclass in der Hanse Lounge. Unterstützt wurde sie von Christoph Raffelt, der nicht nur durch seinen Blog und Podcast Originalverkorkt einer der versiertesten Weinkenner in Hamburg ist.

Veröffentlicht am 04. Juli 2025

Nachdem die Größenverhältnisse geklärt waren noch etwas Geschichte. Das British Empire ist für die Weinentwicklung maßgeblich verantwortlich. Für die Briten sollte Australien ihr persönliches Frankreich werde. Und so pflanzte man am anderen Ende der Welt zunächst alles, was es in Bordeaux und Burgund so gab. Nach dem Beaujolais und dem Bordelais begann das Interesse für italienische und spanische Weine. Und so pflanzte man die entsprechenden Rebsorten. Da Australien neben vielen Zeitzonen auch Klimazonen hat, konnte man für jede Rebsorte den perfekten Standort ausmachen. Europa passt nicht nur in Australien, das Land bietet auch so ziemlich alle Klimata, die man für Wein braucht. Seit der Pflanzung des ersten Rebstocks 1834 gibt es mittlerweile 600 Rebsorten. Für Shiraz beispielsweise importierte man Hermitage Reben. Mersault war erste Wahl für Burgunderreben. Die ersten Weine wurden dann 30 Jahre später nach England verschifft.

Uns so war das Thema der Masterclass auch Classic and contemporary Australia. Erkenntnis Nummer 1: es gibt Penfolds und es gibt Independent Wineries. Erkenntnis Nummer 2: der Kontinent hat nie eine Reblaus gesehen. Es gibt also wirklich alte Reben und einen alten Genpool.

Die Vielfalt spiegelte auch der erste "Classic" Flight wider. Eingeschenkt wurde Semillon, Riesling, Chardonnay, Cabernet Sauvignon, eine Blend aus Grenache, Shiraz und Mourvèdre sowie ein reinsortiger Shiraz. Nein, nicht irgendeiner, einer von den ältesten Rebstöcken des ganzen Landes. Gepflanzt 1865. Die 160 Jahre alten Reben im Clare Valley, nördlich des bekannten Barossa Valley, liefern einen beeindruckenden Wein!
Die Winery Kilikanoon hegt und pflegt noch 14 Rebzeilen, woraus 2 Fässer gefüllt werden können. Macht gerade einmal 600 Liter. Unter dem Label "Alternative" spielten Chenin Blanc, Gamay, Pinot Noir, Grenache, Syrah und Nero d'Avola. Die zum Teil klassisch anmutenden Sorten haben aber durch ihre Winzer eine alternative Vita.
Pate für den Nero d'Avola ist natürlich eine Auswandererfamilie aus den Abruzzen. Die süditalienische Sorte steht erst am Anfang ihrer Reise, erste Stöcke wurden vor 20 Jahren gepflanzt. Der "Sizilianer" besiedelt aktuell nur 100 Hektar von landesweit 145.000 Hektar. Neue Heimat ist das McLaren Vale in der Nähe von Adelaide. Der Wein namens Mitolo vereint Saftigkeit, Frucht und Würze, ist vollmundig aber nicht schwer, ein echter Crowdpleaser.

Trotz der beeindruckenden Größe des Landes spielt sich der Weinbau nur im Süden ab. In Western Australia südlich von Perth, in den Buchten bei Adelaide sowie in New South Wales von Melbourne bis Brisbane sowie auf der Insel Tasmanien. Ein klassisches Gebiet ist Margaret River, hier beginnt man die Lese auf der Südhalbkugel, während sich Europa im Winterschlaf befindet. Die Briten machten in den Anfangsjahren die Beobachtungen, dass sich dieses Gebiet mit "Left Bank Bordeaux" vergleichen ließ. So wundert es nicht, dass der Cabernet Sauvignon der Masterclass von hier kommt.

Die kühle des Southern Ocean, geprägt von der Antarktis trifft auf den indischen Ozean, die Beeren entwickeln ausgeprägte Fruchtaromen und behalten dabei eine frische Säure und sind lassen Low-Alcohol-Weine entstehen. Bestes Beispiel dafür war der Semillion aus 2017, der sich immer noch sehr jugendlich präsentierte und bei 10,5 % Vol. nichts vermissen ließ. Maragaret River war auch die Heimat für den Chardonnay der Verkostung. Vater für den Erfolg dieser Region ist kein geringerer als Robert Mondavi. Er erkannte das Potenzial des Gebiets und wollte gerne Land kaufen. Das lies die australischen Winzer aufhorchen und sie engagierten ihn als Consultant, ernteten die Beeren aber lieber selber. Nicht nur der Erfolg gab den Winemakern hier eine entspannte "Hang loose" Mentalität. Die Big Waves an der Küste machten den Küstenstreifen zu einem beliebten Surf Spot.

Die Studien für die perfekten Klima-Rebsorten-Pairings ließen keine Zweifel daran Eden Valley zum Tal der Hoffnung für Riesling zu machen. Pewsey Vale tritt den Beweis an, dass die Entscheidung genau richtig war. Die Rebstöcke aus dem Jahr 1965 liefern die Trauben für einen zitrischen, sehr straffen und delikaten Wein, der sehr mundwässernd ist. Die Höhenlage von bis zu 500 Metern sind für die Aromenausprägung ideal. Während das Barossa Valley mediterranes Klima hat, ist es auf dem Hochplateau des Eden Valley, kühler und windiger, perfekt für Riesling.

Barossa Valley war eines der ersten Täler für Weinbau in Australien. Hier ist auch die Torbreck Winery beheimatet. Und jede Menge der ältesten Reben überhaupt. 250 Hektar um genau zu sein sind 100 Jahre alt. Die Australische Definition für alte Reben beginnt mit 35 Jahren und älter. Ab 70 Jahren werden diese Survivor genannt über 100 Jahre werden die Rebstöcke als Centenaria betitelt und ab 125 Jahren Ancestro. Damit kann Australien eine Reihe an Rekorden für sich verbuchen. Der älteste Shiraz Rebstock wächst auf dem 5. Kontinent. Gepflanzt 1843. Der älteste Grenache wurzelt auf australischem Boden, gepflanzt 1850. Auch der älteste Mourvèdre lebt noch immer, gepflanzt 1853 und der älteste Cabernet Sauvignon Rebstock der Welt hat ebenfalls in Australien seine Heimat. Er wurde anno 1888 gepflanzt. Die Blend aus Grenache, Shiraz und Mourvèdre war ein Publikumsliebling der Verkostung in der Classic Line. Im Vordergrund stand eine satte Brombeerfrucht, dazu in perfekter Harmonie ein sanftes Tannin und etwas Lakritz im Abgang. Sehr smooth und delikat.

Das besondere an Australien, hier gibt es keinerlei Einschränkungen für den Anbau von Rebsorten. Erlaubt ist, was schmeckt. Mit einer Ausnahme: es gibt Kiwis, aber keine Piwis. Für den Anbau von sogenannten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, die in Deutschland und Österreich eine immer größere Bedeutung erlangen, weil sie leichter einen Bio-Weinbau erlauben, gibt es durch das trockenere Klima in Australien keinen Bedarf.

Die "Alternativen" haben ihre Weinheimat auch in neueren Weinbaugebiete. Dazu zählt McLaren Vale, in unserem Beispiel Place to be für Chenin Blanc. McLaren gilt als Australiens grünste Region – gemeint ist nachhaltiger Bioweinbau in Australien. Das gefällt auch den "Aussies". 40% der Weine wird auf dem Kontinent konsumiert. Auch für Grenache bieten sich hier optimale Bedingungen. Der Verkostungswein von alten Bushwines präsentierte sich sehr saftig und frisch. Mit floralen Noten und perfektem Holzeinsatz.

Aus den Adelaide Hills bringt ein Gamay Beaujolais-Nouveau-Feelings in die Verkostung. Die Geschichte des Weinbergs spiegelt die Flexibilität Australiens wider. Ursprünglich waren Gamay-Stöcke geplanzt. Durch den Chardonnay Boom wurden diese auf die Weißweinreborte umveredelt, bevor das Weingut 2013 wieder Gamay draus machte. In den Adelaide Hills widmen sich mittlerweile auch 25 Wineries dem Grünen Veltliner. Man kann sich also auch auf Adelaide-Alpen-Vibes freuen. Ein sehr beeindruckender Pinot Noir kommt aus der Geheimtipp-Region Gippsland. Hier sind gerade einmal 187 Hektar bepflanzt, Tendenz steigend. Es herrscht echtes Cool Climate, mit viel Ozean-Einfluss. Gelernt hat der Winzer natürlich im Burgund.

Aus Württemberg wiederum zog es einen Winzer ins Yarra Valley. Die Weinberge hier sind "bloody steep". Der präsentierte Syrah erinnerte die Verkoster an einen Chambertin-Pinot. Der Wein wurde "whole bunch" verarbeitet und spontan vergoren, daher auch die burgundische Stilistik. Sein Charakter: cool, saftig, mit gutem Grip und fleischig.

Die 90-minütige Reise durch Australien zeigte echte Alternativen auf. Auch nach fast 200 Jahren Weinbaugeschichte, gibt es noch viele Geschichten zu erzählen und zu erleben!