Tesdorpf on Tour – Champagne

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Tesdorpf on Tour: In Champagnerlaune

Östlich von Paris schlägt das Schaumwein-Herz der Welt. Für unsere Einkäuferin Carla Scheibler war es eine Herzensangelegenheit ihre liebsten Champagnerhäuser zu besuchen. Nach dem dreitägigen Besuch hat sie noch mehr Liebe für die betörenden Bubbles im Gepäck. Und viele spannende Eindrücke ...

Veröffentlicht am 16. Oktober 2024

Wie stimmt man sich auf eine dreitägige Reise in die Champagne ein? Am besten direkt in Reims. Mit einem Burger und einer Flasche Champagner. Das geht bei Sacré Burger direkt am Forum bei den alten römischen Stadtmauern. Die Getränkekarte umfasst 7 Seiten Champagner, aufgeteilt in die Anbaugebiete Montagne des Reims (71 Positionen), La Vallée de la Marne (50 Positionen), La Cote des Blancs (14 Positionen), La Vallée du Petit Morin (11 Positionen) und Les Coteaux Sud d’Épernay (14 Positionen) sowie L’Aube (59 Positionen). Dazu eine Seite mit Magnums und zwei Seiten mit Coteaux Champenois, Stillwein aus der Champagne, dem neuen Trend! Eigentlich könnte man nach einem Abend hier direkt wieder nach Hause fliegen, oder einfach drei Tage hintereinander hier einkehren, hat man doch bereits die gesamte Champagne vor sich. Allerdings hatte unsere Einkäuferin Carla Scheibler noch ein paar sehr nette Termine …

Tag 1 in der Champagne

Einer für alle, alle für Champagner

Die Weinlese in der Champagne liegt schon in der Luft. Allerdings darf hier nicht jeder nach seiner Façon. Eine Besonderheit der Appellation, das Comité Champagne bestimmt einen gemeinsamen Erntebeginn. Dafür gibt es Kontrollparzellen, bei denen der Reifegrad gemessen wird. Anhand von Traubengewicht und Zuckergehalt wird dann das Datum zur Eröffnung der Weinlese für jeden Cru und jede Rebsorte festgelegt. Start in diesem Jahr war der 10. September. Auch die Erntemengen werden streng geregelt. Das Comité Champagne und das I.N.A.O. (Institut für Herkunftsbezeichnungen) legt jedes Jahr die zulässige Erntemenge fest: Qualität geht vor Quantität. Für dieses Jahr wurden 10.000 kg Trauben pro Hektar definiert, damit liegt die Erntemenge unter dem Vorjahresniveau von 11.400 kg/ha. Das Jahr 2024 wurde geprägt von viel Regen, was die Champagne aber nicht so sehr berührt wie viele andere Regionen, denn die kalkhaltigen Böden saugen den Niederschlag gut auf.

Champagner-Frühstück

Am ersten Morgen ging es für unsere Einkäuferin und Champagne-Expertin Carla Scheibler zu Philipponat. Das Familienweingut liegt in Mareuil-sur-Ay und produziert „Champagnes for Wine Enthusiasts“, so Carla. Seit 25 Jahren führt Charles Philipponat die lange Tradition fort, die bis ins 16. Jahrhundert zurück reicht und schon den Königshof vom Sonnenschein Ludwig XIV. belieferte. Zunächst ging es in die Weingärten. Philipponat ist im Besitz einer exklusiven Monopollage. Clos de Goisses ist Grand-Cru! Namensgebend ist die Mauer (Clos), die die komplett nach Süden ausgerichtete Steillage umgibt und direkt am Ufer der Marne liegt. Sie ist bepflanzt mit Chardonnay und Pinot Noir.
Für die Royale Réserve werden 10 verschiedene Plots werden einzeln selektiert und ausgebaut und anschließend cuvétiert. Die Rebstöcke für die Prestige Cuvee des Hauses sind im Durchschnittlich 70 Jahre alt. Den Einsatz von Eichenfässer bei der Champagnerherstellung haben wir dem Vorfahren Pierre Philipponat zu verdanken. Und auch das Solera-„Non-Vintage“-Verfahren gehört zum einzigartigen, ausdrucksstarken Erlebnis. Die 45 hl Fässer stammen von einem der renommiertesten Burgunderwinzern überhaupt: Rousseau. „Die Stilistik selbst vermittelt eine wahnsinnige Seriosität. Der House-Style von Philipponnat lässt sich am ehesten als ätherisch, fein und von einer wahnsinnig betörenden Würze geprägt, beschreiben.“, lässt uns Carla von ihrem Erlebnis teilhaben.

Ein Keller voller Geschichte

Zum Lunch ging es dann zu Taittinger. Das 2-Sterne-Restaurant Le Parc der Domaine Les Crayères bei Reims bewirtete uns herrschaftlich. Zum Empfang gab es als Aperitif den Jahrgang 2008 des Comtes de Champagne. Das Haus ist Geschichte pur, vom Dachgeschoss bis in die atemberaubenden Kreidekeller. Sehr amüsant war der Moment, als wir durch das Haupttor fuhren und sahen, wie die schweren Eisentore mit einem kleinen bunten Fahrradschloss gesichert waren. Das ist Savoir vivre pur. Beim anschließenden Meeting verkosteten wir eine Reihe der aktuellen und kommenden Comtes de Champagne Jahrgängen, auf die man sich jetzt schon freuen kann. Der aktuell erhältliche Comtes de Champagne Rosé 2011 ist ein Meisterstück!

Tag 2 in der Champagne

Breakfast at Bollinger

Nach dem Release des PN-VZ 19 von Bollinger, der bei uns für Begeisterungsstürme sorgte, war Carla natürlich sehr auf das Anwesen, dass durch Lily Bollinger zu einer Ikone des Champagner wurde, gespannt: „Ich freue mich wie Bollinger!“ Das Champagnerhaus, das bis heute in Familienbesitz ist, wurde vom Stuttgarter Joseph Bollinger gegründet. „Bollinger wird gemeinhin auch als „the Burgundians of Champagne“ bezeichnet“, so Carla. Jede einzelne Mini-Parzelle wird einzeln ausgebaut. Eine weitere Besonderheit: die Reserveweine werden in Magnums gelagert, weshalb sich in den Kreidekellern von Bollinger eine riesige Bibliothek an Magnumflaschen mit Reserveweinen befindet. „Es ist ein Archiv aus verschiedenen Rebsorten, Crus und Jahrgängen. Bollinger selbst bezeichnet dieses Archiv als „Rack of spices.“, so Carla. Diese einzeln ausgebauten Weine ermöglichen dem Team, den Cuvées jedes Jahr genau das hinzuzufügen, was eine unverwechselbare und gleichbleibenden Stilistik und Qualität garantiert. „Der House-Style von Bollinger ist allen voran durch einen hohen Pinot-Anteil geprägt, der sich in allen Cuvées findet (immer mindestens 60%). Außerdem vom ausgeprägten Einsatz der Holzfässer. Bollinger ist mit insgesamt 4.000 Holzfässern mit Abstand der größte „Barrel-Owner“ in der Champagne.“ Es gibt sogar eine hauseigene Küferei, die Fässer aus Eichenholz aus einem eigenen Waldstück herstellen. Der Fassausbau prägt das Winemaking von Bollinger, denn die Gärung sämtlicher Grundweine findet in Barriques statt, wodurch die Weine eine Mikrooxidation erfahren, die den Cuvées eine besonders hohe Lagerfähigkeit geben. Nach der Gärung machen die Grundweine auch die malolaktische Gärung. Neben der beeindruckenden Spécial Cuvée, die mit ihrer absolut einzigartigen Perlage („like Cashmere on your shoulders“) jedes Mal aufs Neue begeistert. Auch La Grande Année 2015 ist mit seiner barocken Großzügigkeit unvergesslich! Das absolute Highlight der Verkostung war jedoch der R.D. aus 2008. In der Nase präsentiert sich der Schaumwein in einer unglaublichen Vielschichtgkeit, geprägt von gerösteten Haselnüssen, Anklängen von Tonkabohne, feiner Bourbonvanille, Orangenzeste, gelber Steinfrucht sowie einer verführerischen Rauchigkeit. Am Gaumen schlank mit wunderbarem, für den säuregeprägten 2008er Jahrgang typischen, Zug mit einer gleichzeitigen Umami-Fülle, die den ganzen Gaumen benetzt. Zum Luft schnappen bot sich der Vieilles Vignes française an, der alte Weingarten direkt hinter dem Herrenhaus gelegen. Der Clos ist noch wurzelecht und wurde von der Reblaus verschont. Das Archiv an Champagnern bei Bollinger geht übrigens bis ins Gründungsjahr 1829 zurück.

Zeit für Handwerkskunst

Am Nachmittag stand der Besuch bei Jacquesson an. Schon vor der Reise in die Champagne konnte man die Freude bei Carla über diesen Termin schon heraushören: „Jacquesson gehört für mich zu meinen absoluten Lieblingen!“ In Dizy, einen Katzensprung von Épernay entfernt, entstehen einige der besten Winzerchampagner überhaupt. Der Ort gehört zur Gemeinde Vallée de la Marne. Gut 30 Hektar werden hier bewirtschaftet. Kein geringerer als Johann-Joseph Krug lernte hier sein Winzerhandwerk. „Der Empfang war so herzlich... Hervé Ledrole, die gute Seele des Hauses, ging mit mir erst durch die Weinberge nahe der Maison, danach durch die beeindruckenden uralten Kellergewölbe. Wir sprachen über Autolyse und fachsimpelten über das Degorgieren und die Besonderheit der Champagner von Jacquesson.“ Bei Jacquesson ist jeder Arbeitsschritt Handarbeit – ohne moderne Maschinen und technische Hilfsmittel. Von der Ernte über die Selektion der Trauben bis zum Rütteln der Flaschen – das Team brennt für ihr Handwerk. Zur guten Tradition gehört auch eine Korbpresse. Außerdem wird bei Jacquesson für den Grundwein ausschließlich die sogenannte „Cuvée“ verwendet, die gemeinhin phenolgeprägtere „Taille“ wird nicht verwendet. Im Anschluss findet eine Spontangärung in Fudern statt, während des Ausbaus wird eine Battonage durchgeführt. „Diese Details machen sich in der überirdischen Qualität der Weine bemerkbar! Die Verkostung am Ende der Tour hat mir gezeigt, dass hier mit einer fast unheimlichen Konstanz Champagner auf Weltklasse-Niveau entsteht. Abgefülltes Terroir in Flaschen.“ Von der Edition 742, die eine "Degorgement Tardif" ist, was übersetzt "später degorgiert" bedeutet, über die aktuellen Releases 746 und 747 bis zur Grand Cru Millésime – alle eint die einzigartig feine und mineralische Jacquesson-Stilistik.

Den intensiven Tag ließ Carla in der Winebar Le Vintage in Reims ausklingen, allerdings gab es am Abend „nur“ noch ein Glas Beaujolais – und zwar von Mee Godard.

Tag 3 in der Champagne

Delicacy, Finesse, Elegance

Auch am dritten Tag bleibt es familiär. Das Champagnerhaus Billecart-Salmon gilt als eine der ältesten Familiendynastien in der Champagne. Gegründet im Jahr 1818 wird das Haus heute in 7. Generation von Mathieu Roland-Billecart geführt. Der Überlieferung nach wurde von Billecart-Salmon der erste Rosé-Champagner überhaupt kreiert. Auch auf diesen Besuch freute sich Carla schon vor ihrer Reise: „Vor ein paar Jahren habe ich mit Freunden eine 1996 Cuvée Elisabeth Rosé getrunken. Das war wahrscheinlich der beste Rosé-Champagner meines Lebens.“ Zur Überraschung des Tages wurde aber nicht der Rosé, sondern der Brut Sous Bois NV. Eigentlich „nur“ der Einstieg in die Welt von Billecart. Dabei ist er so viel mehr! Sous Bois kennzeichnet die Weine, die 100% im Holz vergoren wurden. Das Weingut selbst bezeichnet ihre drei Säulen als „Delicacy, Finesse, Elegance“, was es auf den Punkt trifft. Die klassische Cuvée besteht aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. In der Nase hat man feines Gebäck, geröstete Nüsse, Brioche. Der Champagner ist leicht laktisch, null fett mit einer ultra feinen Säure. Ein großer Wein! Der Blanc de Blancs Louis Salmon und Rosé Elisabeth Salmon sind der krönende Abschluss des dritten Tages. „Beide auf ihre Art einzigartig und Vintage 2012 in meinen Augen nahe der Perfektion. Aus dem selben Holz geschnitzt wie der Sous Bois, mit einem noch stärkeren Fokus auf das Terroir und die Rebsorte.“ Der Besuch hat Carla in ihrer Meinung nur noch mehr bestätigt, Billecart-Salmon gehört zu ihren absoluten Lieblingen in der Champagne: „Mein diesjähriger Besuch hat meine Erwartungen nochmal übertroffen. Der Betrieb befindet sich gerade in Umstellung auf komplett biologische Bewirtschaftung. Selten habe ich Weinberge gesehen, die so vor Vitalität gestrotzt haben. Auch der Keller ist State of the Art. Sehr beeindruckend zu sehen mit was für einer Präzision und Passion hier gearbeitet wird.“ Die Vitalität und Schönheit der Natur ist hier allerorts zu bestaunen. Auch der Garten der Domaine und die Monopollage Clos Saint-Hilaire (1 Hektar Pinot Noir) sind zauberhafte Orte. Hier entsteht einer der rarsten Champagner, der den gleichen Namen trägt wie der Schutzpatron von Mareuil-sur-Ay.

Glücklich, mit einem enorm erweiterten Wissens- und Eindrucksschatz, aber auch wehmütig, ging es für Carla wieder nach Paris und von dort zurück nach Hamburg. Die Franzosen können ohne Zweifel sehr Stolz auf ihre Champagne sein und die Entwicklung dort. Dabei wird im Land selbst gar nicht der meiste Champagner getrunken. Das Champagner-trinkfreudigste Land sind die USA, gefolgt von Großbritannien und Japan. Deutschland lag 2022 mit 12 Mio. Flaschen auf Platz 5. Wenn es nach Carla geht, sollte sich diese Platzierung deutlich verbessern!