Château Les Carmes Haut-Brion
Dieses Château, mit seinen weniger Hektar Weinbergbesitz eigentlich genau das, was man eine Boutique-Winery nennen würde, ist (noch) ein Geheimtipp und in unseren Breiten weitgehend unbekannt. Kein Wunder, es gibt nur wenige Flaschen, und die werden der Besitzerin förmlich aus der Hand gerissen. Die Geschichte der Weinberge des Schlosses reicht weit zurück bis in das 16. Jahrhunderts als die Mönche vom Orden »Les Carmes« hier die ersten Reben pflanzten. Nicht überliefert ist ob sie genau wussten was sie taten, denn diese Reben stehen auf einem begnadeten Terroir, direkt neben der bordelaiser Legende Château Haut-Brion. Seit einigen Jahren ist der hoch angesehene Önologe Stéphane Derenoncourt als Berater tätig und seitdem hat das Château einen beispiellosen Aufstieg in Richtung Spitzen geschafft. Die Weine sind heute gesucht und heiß begehrt, sie erreichen Traumbewertungen in den renommierten Fachpublikationen. Nur leider, es gibt viel zu wenig davon, die wenigen Flaschen sind quasi vergriffen, da hängen die Trauben noch am Stock.
Château les Carmes Haut-Brion – Shootingstar mit 400 Jahren Geschichte
Haut-Brion, La Mission Haut-Brion, Laville Haut-Brion, La Tour Haut-Brion – und nun auch noch Les Carmes Haut-Brion? Da kann man schon mal durcheinandergeraten, also geht es erst einmal um Orientierung: Allen so verwechselbar gekennzeichneten Châteaux gemein ist ihre Heimat im Weinbaugebiet Graves, dessen nördlichste Spitze an die Ausläufer des Stadtzentrums von Bordeaux ragt, während es sich nach Süden hin an das westliche Ufer der Garonne schmiegt. Besagte Nordspitze von Graves beschreibt die Appellation Pessac-Léognan, und tatsächlich liegen die genannten Weingüter allesamt ebendort. Allen voran natürlich „das wahre“ Haut-Brion – Premier Grand Cru Classé geadelt, heiß begehrt und weltberühmt. Und einigermaßen erstaunt, womöglich auch etwas irritiert, was sich seit einigen Jahren in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zuträgt.
Als Château les Carmes Haut-Brion im Jahr 2011, dem 426. Jahr seines Bestehens, einen neuen Eigentümer suchte, hatte Prinz Robert von Luxemburg, seines Zeichens Herrscher über Château Haut-Brion, wie selbstverständlich sein Auge auf die angrenzenden knapp fünf Hektar Rebflächen, das prächtige Schloss und den drei Hektar großen Park geworfen. Der Zuschlag sollte jedoch überraschend an einen Bordelaiser Geschäftsmann namens Patrice Pichet gehen. 18 Millionen Euro hatte der erfolgreiche Immobilienentwickler für die gesamte Liegenschaft geboten, Finanzexperten sollten später ermitteln, dass er bezogen auf das eigentliche Weingut den höchsten Pro-Hektar-Preis gezahlt hatte, der bis dahin je in Bordeaux realisiert wurde.
Wine is magic. It’s elaboration, a science (Philippe Starck)
Investoren, die Geschäfte in diesen Dimensionen bewegen, agieren bekanntermaßen mit langem Atem und visionärer Perspektive. Womit jedoch nicht unbedingt zu rechnen war: Monsieur Pichet legte schon gleich nach Erwerb mit voller Wucht los. Der begnadete Winemaker Guillaume Pouthier wurde umgehend unter Vertrag genommen, genauso der nicht minder renommierte Berater Stéphane Derenoncourt. Architektur-Popstar Philippe Starck wurde mit dem Bau eines neuen Weinkellers betraut, der bereits 2016 eingeweiht werden konnte. Oberirdisch ragt dieser nunmehr als eine futuristische Metall-Skulptur in Form eines Schiffsrumpfs in die Höhe und huldigt der großen Seefahrergeschichte von Bordeaux. Ara Starck, Sergio Mora und weitere bekannte Kreative gestalten die Oberflächen der mächtigen Edelstahltanks und machen den Weinkeller nebenher zu einer Galerie für zeitgenössische Kunst.
Natürlich werden auch im Weinberg und im Keller revolutionär neue Wege beschritten. 40 Prozent Cabernet Franc sowie je 30 Prozent Cabernet Sauvignon und Merlot bilden fortan die neue und für Graves, genauer gesagt Pessac-Léognan, höchst unkonventionelle Erfolgsformel. Pouthier und Derenoncourt setzen auf einen „reduktiven“ Ausbau, unterbinden damit die Sauerstoffzufuhr im Vinifizierungsprozess, wodurch die Weine frischer und haltbarer gelingen. Sie bringen zudem Erfahrungen von der Rhône und aus dem Burgund ein und setzen auf eine dort bereits erfolgreich angewendete Technik, bei der 55 Prozent des Lesegutes mit Stil und Stängel vergoren werden.
Binnen von weniger als fünfzehn Jahren haben es Pichet und seine beiden kongenialen Mitspieler geschafft, Carmes Haut-Brion aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken und zu einem der gefragtesten Adressen in Bordeaux zu avancieren. Das Selbstbewusstsein ist entsprechend groß und genauso der Drang nach maximaler Kontrolle. So kann es sich Guillaume Pouthier mittlerweile leisten, dem Drängen der Fachwelt nach Verkostungsmustern zu widerstehen. 2019 erstmals, erschien ihm der neue Jahrgang noch nicht reif genug, um von der Presse richtig eingeschätzt zu werden. Der Aufschrei war zunächst groß, der Wein jedoch später nach 12 Minuten ausverkauft. Nichts ist überzeugender als Erfolg, möchte man sagen.
Erstwein und Zweitwein. Das Übliche in Perfektion.
Der Grand Vin des Châteaus les Carmes Haut-Brion ist ein grandios feines Bordeaux-Meisterstück, aromatisch dominiert von roten Beerenfrüchten und Kirschen, mit salzig-mineralischen Noten und grandioser Länge. Er repräsentiert die Pessac-Léognan-Stilistik auf höchstem Niveau und zeigt dabei eher Anleihen bei großen Saint-Émilion-Weinen, denn bei den Konkurrenten auf der Médoc-Halbinsel. Der Wein wird 24 Monate im Barrique ausgebaut und besitzt ohne Weiteres 30 Jahre Lebensdauer in der Flasche.
Mit dem „Le C de Carmes Haut-Brion“ bietet das Weingut einen fabelhaften Zweitwein an, der einen in jeder Hinsicht harmonischen Zugang in die Welt von Les Carmes bietet. Anders als das Großgewächs setzt er mehrheitlich auf Cabernet Sauvignon, gefolgt von Merlot und winzigen Anteilen von Petit Verdot. Auch er reift 24 Monate in Barriques, ist natürlich früher reif für das Glas, gewinnt aber dennoch ebenso weiter in der Flasche.