Château Pontet-Canet: Biodynamie mit Pauillac-Power
Kaum ein Weingut im Médoc hat in den letzten Jahrzehnten eine so tiefgreifende Wandlung durchlaufen wie Château Pontet-Canet. Einst „nur“ ein Cinquième Cru Classé – seit 1855 offiziell in die Riege der Grand Crus aufgenommen –, ist das Gut heute eine Ikone jenseits der Klassifikation. Die Geschichte beginnt im 14. Jahrhundert, wird aber greifbar mit Jean-François Pontet, einst Schildknappe des französischen Königs und später Gouverneur des Médoc. Er vereinte die besten Parzellen, darunter „Canet“, unter einem Namen und legte so den Grundstein für das, was heute als eines der progressivsten Güter der Appellation Pauillac gilt.
Doch der eigentliche Aufbruch begann erst Jahrhunderte später – 1975, mit dem Kauf durch die Familie Tesseron, und fand seinen Durchbruch unter Alfred Tesseron, der das Château ab 1994 in eine neue Ära führte: nicht durch Lautstärke, sondern durch Konsequenz.
Die Revolution kam mit dem Pferd
Was Château Pontet-Canet so besonders macht, ist nicht nur das Ergebnis, sondern der Weg dorthin. Als eines der ersten Güter der Region stellte man zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf biologische, später biodynamische Landwirtschaft um – eine Entscheidung, die im konservativen Bordeaux zunächst belächelt wurde. Doch der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: 2010 Ecocert-Zertifizierung, 2014 Demeter-Zertifikat. Der Verzicht auf Herbizide, die Rückkehr der Pferde in den Weinberg, die Pflege jedes Rebstocks mit Händen und Herz – all das hat den Wein nicht weich gemacht, sondern lebendig, vibrierend, energetisch.
Unter der Leitung von Alfred Tesseron und seiner Nichte Mélanie Tesseron, die das Thema Biodynamie entscheidend vorantrieb, wurde Pontet-Canet zur Blaupause für zukunftsfähigen Weinbau im Bordelais – nicht als Marketing, sondern als innere Überzeugung.
Terroir-Energie statt Etiketten-Ehrgeiz
Die rund 300.000 Flaschen, die jährlich produziert werden, dominieren in ihrer Cuvée den Cabernet Sauvignon, wie es sich für einen Pauillac gehört. Doch der Wein von Pontet-Canet wirkt heute nicht mehr kantig oder sperrig, sondern beinahe leuchtend – ein Ausdruck puren Terroirs, strukturiert und präzise, aber eben auch mit einer Strahlkraft, die kaum ein anderes Gut in der Appellation so souverän zeigt.
Die Weinkritik hat längst reagiert: Seit Jahren erzielt Pontet-Canet Bewertungen auf Premier-Cru-Niveau – und in nicht wenigen Jahrgängen übertrifft es diese sogar. Robert Parker, Vinous, Wine Advocate: Sie alle zählen den Wein inzwischen zur qualitativen Spitze von Bordeaux. Und das als Fünftes Gewächs.
Biodynamie ist mehr als Kult – es ist eine Haltung
Pontet-Canet ist heute mehr als ein Weingut. Es ist ein Symbol für einen neuen Weg, einen leisen, aber radikalen Wandel, der zeigt: Weltklasse entsteht nicht aus Tradition allein, sondern aus dem Mut zur Erneuerung. Das Château hat sich seinen Platz nicht erkauft, sondern erarbeitet – mit Intelligenz, Geduld und Vertrauen in den natürlichen Rhythmus.
Was bleibt, ist ein Wein, der die Energie des Ortes atmet – und ein Château, das aus dem Schatten der Premier Crus nicht heraustreten musste, sondern ein eigenes Licht entfachte.
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